Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)

Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)

Titel: Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Niederwieser
Vom Netzwerk:
Schwester in einer heterosexuellen Ehe lebt. Diese Hervorhebung der Sexualität verzerrt einfach unsere Beziehungen. In den Köpfen der Leute drehen sie sich dann nur noch um Sex.“
    „Reagierst du da nicht ein bißchen empfindlich?“ fragte sie.
    „Stell dir nur mal vor, jemand würde dir folgende Fragen stellen.“
    „Ich höre“, sagte Gudrun und stellte sich vor mir auf wie eine Schülerin, die abgefragt wird.
    „Was meinst du, was deine Heterosexualität verursacht hat, Gudrun?“
    Sie prustete so, daß sie sich den Mund abwischen mußte.
    „Gute Frage“, antwortete Ruth. „Muß ich drüber nachdenken.“
    „Oder: Meinst du, deine Heterosexualität ist nur eine Phase, und du könntest dich doch noch für eine Frau entscheiden?“
    Sie kicherte wieder.
    „Oder wie wär’s mit: Könnte dein Hang zur Heterosexualität vielleicht von einer neurotischen Angst vor Menschen des gleichen Geschlechts herrühren?“ Gudrun und Ruth gackerten, stützten sich gegenseitig, weil sie die Fragen so amüsierten. „Die Mehrheit der Kinderschänder ist heterosexuell, Gudrun. Fühlst du dich wohl dabei, einem Heterosexuellen dein Kind anzuvertrauen?“
    Gudruns Gesicht wurde ernst. „Ist das wahr?“ fragte sie.
    „Ja, fünfundneunzig Prozent aller Kinderschänder sind hetero.“
    „Oh. Da habe ich noch nie darüber nachgedacht.“
    „Na ja, das ist jetzt auch nicht der Zeitpunkt. Mir ging es nur darum, dir mal zu zeigen, was für ein Quatsch andauernd über Homosexuelle geredet und geschrieben wird. Nimm mal die ganzen Klischeefragen und münze sie auf deine heterosexuelle Orientierung um, dann wirst du sehen, wie diskriminierend sie sind. ‚Wenn du noch nie mit einer Frau geschlafen hast, woher willst du dann wissen, daß es dir nicht gefällt?‘ ‚Warum bestehst du darauf, deine Heterosexualität so öffentlich zu machen? Kannst du es nicht einfach sein und den Mund halten?‘ ‚Warum sind Heterosexuelle so promisk?‘ Dann wunderst du dich vielleicht nicht mehr so darüber, warum ich empfindlich reagiere.“
    Edvard platzte dazwischen. „Professorchen, ich habe die Idee.“
    „Was?“
    „Was hältst du davon, wenn wir ein Hotel in Florida aufmachen würden?“
    „Wie kommst du jetzt darauf?“ Edvard war völlig überdreht und angeduselt. Er hatte siebzig Freunde um sich herum und ging völlig darin auf. All die Gespräche über Parfüms und Mode, dazu der Sekt, die Musik. Vor einer Stunde hatte er meine Mutter gebeten, sie möge ihn von jetzt ab duzen, und er würde gern Mutter Lydia zu ihr sagen. Natürlich hatte sie es ihm erlaubt. Was blieb ihr auch anderes übrig?
    „Es ist toll dort. Ich hab die Nase voll von meinem Laden, und du schimpfst immer über die nervigen Schüler. Ein Hotel, das wär doch was! Immer Sonne. Junge Menschen, Natur. Ein entspanntes Leben, so wie Malvyn uns das vorlebt. Den nehmen wir natürlich mit.“
    „Du sagst das doch nur, weil Kim seit zwei Monaten wieder über nichts anderes mehr spricht, als in Miami ein zweites Büro aufzumachen, und du Angst hast, deine geliebte Hannah zu verlieren.“
    Er umfaßte meine Hüften und stellte sich so vor mich hin, das ich den Puls seiner Bauchschlagader in meinem Becken spüren konnte. Dann schaute er mir tief in die Augen, bevor er sagte: „Und? Ist das nicht Grund genug?“
    Es war fast drei in der Früh. Mutter, Siegi und Gudrun lagen schon längst in ihren Betten, auch Birgit und Ruth; es waren vielleicht noch die Hälfte der Gäste da. Der Alkohol hatte mir auf den Magen geschlagen, und weil das Druckgefühl zunahm, ging ich auf die Toilette. Als ich den langen Gang hinunterging, merkte ich erst, wie angetrunken ich war. Ich mußte mich mehrmals an der Wand abstützen, so irritiert war mein Gleichgewichtssinn.
    Es stand ein junger Mann am Waschbecken; ich glaubte in ihm den Liebhaber von einem von Edvards Mitarbeitern wiederzuerkennen. Er grüßte mich und lächelte mich an. Ich lächelte zurück, steuerte auf die Kabine zu, aber sie war besetzt. Also verließ ich die Toilette und wartete im Gang. Ein bißchen würde ich es schon noch aushalten.
    Die Tür ging auf, der junge Mann kam heraus; er gratulierte mir, dann ging er zurück in den Saal. Mein Bauch zwickte, lange würde das nicht mehr gutgehen. Wer immer da drin war, er hatte ein sehr großes Geschäft zu erledigen. Da kam mir der Gedanke, daß die Kabine womöglich aufgrund einer Verstopfung geschlossen sein könnte. Ich machte die Tür auf und lauschte, ja, ich

Weitere Kostenlose Bücher