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Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)

Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)

Titel: Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Niederwieser
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irgendeinem belanglosen Würstchen gehabt, so wie ich dort auf dem Klo, hätte es mich bei weitem nicht so verletzt wie dein Verhalten, nachdem Adrian gestorben ist. Raimondo hier, Raimondo dort. Und ich durfte zu Hause die ganze Drecksarbeit machen. Nicht ein Mal hast du mich gefragt, ob ich Raimondo vielleicht auch mal besuchen möchte. Oder wie es mir dabei geht.“
    „Ach, du bist also eifersüchtig auf Raimondo, ja? Komm, du machst dich doch lächerlich.“
    „Ich bin nicht eifersüchtig“, sagte ich. „Das war ich auch nicht, weil ich mir immer sicher war, daß wir zusammengehören. Und dieses Wissen hat mir die Kraft gegeben, über einiges hinwegzusehen, selbst über deine mehr als enge ‚Freundschaft‘ zu Raimondo.“
    „Ja?“ Er lachte mir höhnisch ins Gesicht. „Dein esoterischer Hokuspokus vom Zusammengehören reicht nicht, Edvard.“ Er sagte das mit einem sehr zynischen Unterton. „Du mußt dich auch danach verhalten. Sex …“, er spuckte das Wort aus, als hätte er Gift im Mund, „mit irgendwelchen Bübchen in stinkenden Toiletten gehört da sicher nicht dazu.“
    Stinkende Toiletten? Ich kam mir vor wie ein Schwerverbrecher. Christliche Moralvorstellungen sind das härteste und unbarmherzigste Gesetz, das uns treffen kann. Es lauert in uns und ist auf Knopfdruck stets abrufbar.
    „O, Mann, Bernhard. Ich kann nicht glauben, daß du deswegen so einen Wirbel veranstaltest. Können wir das nicht einfach vergessen?“
    „Nicht, solange du nicht versprichst, daß es nie wieder passiert.“ Er durchbohrte mich mit seinem Blick.
    „Droh mir nicht, Berni. Das steht dir nicht zu.“ Ich sagte es sanft. Ich wollte diese Schlacht aus Vorwürfen beilegen und hellgelbes Licht um uns herum visualisieren, auf daß es uns heilen möge. Aber ich spürte nur, daß wir zu Gegnern geworden waren.
    Jetzt wurde es ernst, es stand viel auf dem Spiel, vielleicht sogar alles. Bernhard hatte diese unglaubliche Fähigkeit, seine Gefühle abzuschalten. Während ich überlegte, wie ich uns aus diesem Schlamassel herausmanövrieren konnte, sah ich, wie seine Mauer dicker wurde. Schnelles Handeln war angesagt. Ich ging auf ihn zu, packte ihn bei den Schultern und drückte ihm einen Kuß auf die Lippen. Ein Kuß, sagte ich mir, ein warmer, weicher, liebevoller Kuß sagte mehr als tausend Worte. Ein Kuß, und alles würde gut werden, alles.
    Ich trat zurück und schaute ihn an. Eine kurze Pause entstand, eine kurze, ewige Pause, in der ich sein Hirn arbeiten hörte. Dann hob Bernhard langsam die Hand und wischte sich meinen Kuß von den Lippen. Er wischte ihn einfach weg. Fünf Jahre, fünf Jahre Liebe wischte er mit einer Bewegung fort.
    „Ha. Das geht doch gar nicht“, sagte ich zu mir. „Das meint er nicht wirklich so.“ Ich sah es, ich verstand es, und trotzdem war mir, als bohrte er ein Messer direkt in meine Brust. Ich spürte, daß mir Tränen an den Wangen hinunterliefen. Ich konnte sie nicht halten. Sie ließen das Bild seines verbitterten Gesichts verschwimmen – vielleicht war das sogar ihr Zweck.
    Bernhard drehte sich um und ging. Ich blieb stehen, mehr aus Lähmung, denn aus bewußt gefällter Entscheidung. Da spürte ich, wie mich sein Weggehen erleichterte. Mit zunehmender Entfernung klang der Schmerz ab. Und noch etwas passierte: Mit jedem Schritt, den er tat, verdrängte ich ihn ein bißchen mehr aus meinem Herzen.
    Ich schaute ihm hinterher, wie er die Straße hinunterging, ich beobachtete uns wie jemand, dem man das als Geschichte erzählte: mit Unverständnis, Kopfschütteln, einem Ziehen unter der Haut, aber ohne wirklichen Schmerz, denn es betraf mich ja nicht mehr.
    Bernhard bog um die Ecke und verschwand aus meinem Blickfeld; er hatte sich nicht mal nach mir umgedreht. Dann ließ auch das Ziehen nach, und ich glaubte, daß dies der richtige Zeitpunkt war, sich von ihm zu trennen.
    „Weg!“ sagte ich, „weg! Nichts wie fort aus meinem Leben.“ Dann drehte ich mich um und rannte los.

Malvyn *
     
    Ich hatte ja bereits befürchtet, daß sich ein Dämon in unser Leben eingeschlichen hatte, jetzt war ich mir sicher. Nur welcher? Ein vadzimu, der Geist eines Verstorbenen, der auf die Familie einwirken wollte?
    Als wir Sonntag, am Morgen nach der Party, den Lachs aus dem Kühlschrank nahmen, stank er nach Kloake, dabei hatten wir ihn Samstag früh frisch eingekauft. Der Salat war welk, die Avocados braun und matschig; Fruchtfliegen surrten um sie herum wie Geier um einen Kadaver. Bs Stimmung

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