Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)
Welt des Hochglanzes, der Parfüms und Modezeitschriften bewegte, sich mit esoterischen Dingen beschäftigte: Sie verbanden ihn mit ihr.
Edvard entstammte der zweiten Ehe seines Vaters, der Botschafter war und inzwischen mit seiner dritten Frau im Fernen Osten lebte. Er sagte, daß er einen guten Kontakt zu ihm pflegte, sie telefonierten regelmäßig und versuchten, sich so oft wie möglich zu besuchen, was selten öfter als ein Mal im Jahr klappte.
Edvards Vater hatte mit seiner ersten Frau drei Kinder: Der älteste Halbbruder, Georg, ein Rechtsanwalt, lebte mit Frau und Nachwuchs in einem Vorort von Chicago. Ihn hatte Edvard praktisch noch nie gesehen, nur als er ganz klein war, und daran konnte er sich kaum erinnern. Ein weiterer Halbbruder, Hans, wohnte mit seiner zweiten Frau in London, war ebenfalls Jurist, verdiente sein Geld aber an der Börse. Ihn hatten Edvard und Bernhard schon mehrmals besucht, und sie schrieben sich auch, „per E-Mail“, wie Edvard sagte, was immer das war. Und dann war da noch Angelika, die in Simbabwe mit einem Journalisten zusammenlebte. Sie sah Edvard nur alle paar Jahre, wenn der Vater mal wieder versuchte, die ganze Familie zusammenzutrommeln, was aufgrund der Spannungen nie gelang. Von ihren Kindern hatte er nur den ältesten Sohn kennengelernt, Malvyn hieß der und war damals fünf gewesen. Die vier Töchter, die nach ihm geboren worden waren, hatte er bisher nur auf Bildern gesehen.
Die dritte Frau seines Vaters hatte eine Tochter mit in die Ehe gebracht; gemeinsame Kinder hatten sie nicht.
Edvard zeigte mir Fotos von allen, und es schien, als wäre er sehr stolz auf seine Familie. Die Art, wie er über sie sprach, zeigte mir, wie wichtig es ihm war, so viel wie möglich über sie zu wissen, selbst wenn er sie selten zu sehen bekam.
Wir waren so in Edvards Leben vertieft, ich merkte erst spät, daß sich Bernhard wieder in sein Arbeitszimmer zurückgezogen hatte. Er kam heraus, als es an der Tür schellte, und öffnete einem stattlichen Mann meines Alters, der eine golden eingefaßte Brille auf seiner hochroten Nase trug. Auf seinem ausladenden Bauch wippte ein kleines blondes Mädchen.
„Bernardo, mio caro. Come stai?“ Er küßte meinen Sohn auf die Lippen. „Guck, kleines Äffchen, da sind deine Onkels“, sagte er und trat ein.
Edvard schoß auf. „Raimondo“, sagte er mit rügendem Tonfall. „Wie oft haben wir dir das schon erklärt? Wir wollen nicht als Onkels bezeichnet werden. Hannah soll ihre Beziehung zu uns aufbauen, die nicht von irgendwelchen konservativen Definitionen geprägt ist. Das bringt sie später nur in Konflikte.“
Der Mann ließ sich von Bernhard das Kind abnehmen, dann zog er seinen Mantel aus und gab Edvard Küsse auf die Wange. „Ich kann nicht über mich hinaus“, erklärte er dabei. „Zu meiner Zeit gab es Eltern und Geschwister, alles andere waren Onkels und Tanten. Es rutscht mir halt immer noch heraus.“ Dann fiel sein Blick auf mich, und er hielt inne.
„Raimondo, das ist meine Mutter, Lydia. Sie besucht uns übers Wochenende. Mama, das ist Raimondo Bortalozzi.“
„Signora Lydia, welche Ehre.“ Herr Bortalozzi sprach meinen Namen italienisch aus, als würde man ihn „Liedia“ schreiben, vollzog dabei einen tollpatschigen Diener und nahm meine Hand. Ich dachte, er wollte sie schütteln, aber er führte sie an seine Lippen und küßte sie. Ich konnte mich nicht erinnern, daß mir jemand schon mal die Hand geküßt hatte. Das kannte ich nur aus Filmen, von Hans Moser zum Beispiel, meinem Lieblingsschauspieler. Er küßte allen Frauen die Hand, und ich hatte mir immer gewünscht, meine wäre dabei.
Den kratzigen, feuchten Schnauzer auf meiner Haut zu spüren elektrisierte mich derart, daß ich meine Hand zurückzog. Herr Bortalozzi war davon sichtlich getroffen, was mir leid tat. Ich lächelte verlegen, legte meine Hand vor den Mund und hüstelte. „Es freut mich sehr“, sagte ich, vielleicht ein wenig zu leise. Ich scheute mich, ihm in die Augen zu sehen.
„Oh, die Freude ist ganz auf meiner Seite“, erwiderte er. „Ich wußte nicht … Störe ich denn?“
„Aber nein“, sagte ich schnell, um ihn nicht noch einmal zu brüskieren. „Setzen Sie sich doch ein wenig zu uns.“
Herr Bortalozzi schaute zu Bernhard und Edvard. Mein Junge stand nur dumm da und sagte nichts, und Edvard zuckte mit den Schultern. Diese jungen Leute haben einfach keine Manieren mehr.
„Wer ist denn die Oma?“ quäkte das Mädchen in
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