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Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)

Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)

Titel: Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Niederwieser
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Brötchen und allerlei Pasteten: Paprika-Nuß, Leber mit Trüffeln, Linsen und eine wunderbare Lachspastete – von Edvard selbstgemacht.
    Edvard erzählte, was er die nächsten paar Tage alles mit mir vorhatte, aber mir ging das Gespräch mit Bernhard einfach nicht aus dem Kopf; meine Antworten waren entsprechend einsilbig. Es ermüdete mich, deshalb zog ich mich früh zurück, setzte mich aufs Bett und schaute mich noch eine Weile um. Das große Zimmer, die hohe Decke, die feinen Möbelstücke. Es war alles sehr fremd, und trotzdem fühlte ich mich wohl hier.
    Geräusche drangen durch die Tür. Zuerst Geschirrgeklapper und Besteckgeklimper, dann das Rumoren der Spülmaschine. Zuletzt plätscherte Wasser, Edvard putzte wohl noch die Küche. Zwei Gläser klirrten, eine Flasche wurde entkorkt. Aha, sie tranken Wein. Dann unterhielten sie sich, zu leise, als daß ich etwas hätte verstehen können. Aber es dauerte nicht lange, da zogen auch sie sich zurück: Zähneputzen, die Spülung der Toilette, das Rauschen der Dusche, das Quietschen der Türen in ihren Angeln. Da das Schlafzimmer auf der anderen Seite des Großen lag, war danach nichts mehr zu hören.
    Wie sich das Leben geändert hatte. Ich weiß noch: Als Bernhard klein war, durfte es nie dunkel sein. Immer mußte er Licht haben, sonst war er nicht zu beruhigen. Und er schlief nur ein, wenn wir in der Nähe waren und er unsere Stimmen hören konnte. Jetzt, ein halbes Leben später, saß ich auf dem Bett hinter einer verschlossenen Tür und wünschte, ich könnte seine Stimme hören, daß das Licht des Lebens ewig brennen würde.
    Ich legte mich zurück und schaute zum Fenster hinüber. Es war schwarz und wirkte wie ein Spiegel. Ich sah die obere Hälfte des Zimmers darin. Dann schaltete ich das Licht aus, und der klare Nachthimmel sprang dahinter hervor.
    Ob Theo auf uns herunterschaute? Er hätte bestimmt nie gewollt, daß Bernhard Schuldgefühle hatte. Im Gegenteil. Er hatte den Kleinen so geliebt; es hatte immer eine besondere Verbindung zwischen den beiden gegeben.
    Das Bett war warm und weich, viel weicher als meines. Der Schlaf, der zu Hause lange auf sich warten ließ, kam schnell. Meine Glieder wurden schwer, und langsam glitt ich in das Tal der Träume hinüber. Ich würde von Theo träumen, daß wußte ich. Er würde gesund aussehen und mich anstrahlen, denn das tat er immer, wenn ich an ihn dachte. Und er würde mit mir sprechen und mit mir tanzen, so, wie er es in all den Jahren nie getan hatte. Theo, mein Theo, wie sehr hatte ich ihn lieb. Und am nächsten Morgen würde ich erwachen und meine Hand nach ihm ausstrecken, so wie jeden Morgen, aber der Platz neben mir würde leer sein und kalt.
    Als ich aufwachte, war es noch dunkel, und es dauerte einen Moment, bis ich wußte, wo ich war. Ich setzte mich auf und suchte nach dem Schalter für die Nachttischlampe. Es war halb fünf, meine übliche Zeit. Kein Geräusch zu hören, selbst auf der Straße war es still. Ich öffnete das Fenster und ließ die eisige Morgenluft herein, um das Brennen meines Körpers zu kühlen – sie duftete nach Schnee und kroch unter mein Nachthemd –, dann schloß ich es, legte mich zurück ins warme Bett und wartete auf den Tag.
    „Guten Morgen. Haben Sie gut geschlafen?“ Edvard empfing mich mit einem strahlenden Gesicht. Bernhard hielt das Tablett, von dem Edvard Marmelade, Butterdose und einen Korb mit Obst herunternahm und auf dem Tisch arrangierte.
    „Danke. Sehr gut. Es ist so still hier.“
    „Nicht wahr! Wir haben mit dieser Wohnung sehr viel Glück gehabt.“
    Ich ging ins Badezimmer und machte mich frisch. „Tee oder Kaffee, Frau Moll?“ rief Edvard durch die Tür.
    „Tee, bitte.“
    Als ich aus dem Bad kam, war der Tisch bereits gedeckt.
    „In der schwarzen Kuh ist Sahne“, erklärte Edvard, „in der weißen Magermilch. In der roten Dose ist die Margarine, und das hier ist Butter.“ Er schob mir eine Porzellanschale hin.
    „Sie haben das doch hoffentlich nicht alles extra meinetwegen eingekauft.“
    „Nein“, antwortete Bernhard. „Wir haben immer alles im Haus. Edvard ißt fettreduziert. Er hat panische Angst, dick zu werden.“ Er kniff seinen Freund in den Bauch, der meines Erachtens durchaus etwas mehr Speck hätte vertragen können, aber diese jungen Leute waren sehr mit ihrem Aussehen beschäftigt, mußte ich feststellen. Ich guckte Edvard an, und er verdrehte die Augen. Es amüsierte mich.
    „Bei uns gab es das nicht“, sagte ich.

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