Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)
verschiedene Listen gab, die manchen Farben unterschiedliche Vorlieben zuwiesen. Aber im Wesentlichen glichen sie sich.
„Trotzdem, laß dich von solchen Tüchern nicht irritieren. Ich meine, wenn einer links ein rotes Halstuch trägt, solltest du ihm vielleicht sagen, daß du darauf keine Lust hast.“
„Links? Rechts ist aktiv“, behauptete B.
„Quatsch! Jetzt bringst du ihn ganz durcheinander.“ Er seufzte. „Also das gucken wir gleich noch mal im Internet nach. Was ich sagen wollte: Nimm das nicht gleich wörtlich, das heißt, pinkle nicht einfach jedem auf die Schuhe, der ein gelbes Taschentuch trägt. Red erst mit ihm, das ist alles.“
Sie teilten diese Informationen natürlich in Häppchen; ich mußte das also nicht alles an einem Abend kapieren. Trotzdem schwirrte mir jedesmal der Kopf. Das konnte doch kein Mensch behalten. Wenn sogar Ed und B, die ja nun schon seit vielen Jahren offen schwul lebten, sich nicht einigen konnten, was was zu bedeuten hatte oder welche Seite die aktive ist, wie sollte ich das dann in drei Abenden auf die Reihe kriegen?
Mehr als die Sexpraktiken interessierten mich Beziehungen. „Warum liebst du eigentlich B?“ fragte ich Ed. B war noch in der Schule, und Hannah hielt Mittagsschläfchen – nachdem wir uns drei Stunden lang im Dantebad ausgetobt hatten.
„Ich weiß nicht“, sagte er, während er das Rezept für einen Engadiner Nußkuchen suchte. „Es ist so vieles, was ich an ihm schätze. Wie er ißt, wie er trinkt, seine Füße. Manchmal unterhalten wir uns, und mitten im Gespräch nimmt er meine Hand. Er tut es einfach, macht nicht mal eine Pause beim Reden, sondern nimmt meine Hand und spricht weiter.“
„Und was noch?“
„Mensch, du bist aber neugierig.“ Ed stützte die Ellenbogen auf, legte das Gesicht in die offenen Handflächen und schaute dann zur Decke, als würde er die Antwort dort suchen. „Okay. Ich liebe, daß er immer so unemotional tut, sich aber nachts dermaßen an mich rankuschelt, daß ich Angst habe, erdrückt zu werden.“ Edvards Stimme klang verträumt. Ich hörte gerne, wenn er für seinen Freund schwärmte; es machte mich glücklich, sozusagen als Vorfreude auf das, was mir noch bevorstehen würde.
„Und was noch?“
„Berni ist eine ganz treue Seele.“ Plötzlich schaute Ed mir in die Augen. „Jedenfalls bisher.“ Sein Blick war bohrend, so hatte er mich noch nie angeschaut.
„Hast du denn Zweifel?“
Er beantwortete meine Frage mit einer Gegenfrage: „Was hältst du eigentlich von Berni? Ich meine, gefällt er dir?“
Diese Frage überraschte mich einigermaßen. „Ich mag ihn schon. Manchmal ist er mir zu angespannt, zu … steif. Aber er ist okay.“
„Und so als …“
„Als was?“
„Nein, ich … Egal“, sagte Ed und blätterte weiter in seinem Karteikasten.
„Du hast gesagt, daß B eine treue Seele ist. Wieso beeindruckt dich das?“
Ed schaute mich fragend an.
„Na ja“, sagte ich, „wenn du ihn dafür bewunderst, hört sich das so an, als ginge es dir in dem Punkt anders.“
Es sah so aus, als hätte ich Ed damit gerade einen Schrecken eingejagt. „Nein, nein. Mir geht es genauso.“ Er sagte das schnell, ohne zu überlegen, und steckte danach seine Nase gleich wieder in den Karteikasten und blätterte.
Dann kam die Nacht der Nächte. Ich schlüpfte in ein ärmelloses, weißes T-Shirt und in die giftgrüne Röhrenjeans, die hauteng anlag und farblich gut zu meinem Haar paßte; schließlich wollte ich attraktiv aussehen. Ed und B fielen die Kinnladen herunter, als sie mich sahen. Sie meinten, es wäre keine gute Idee, das zu tragen – na, sie mußten es ja wissen – und halfen mir, die richtigen Klamotten auszuwählen.
Wir probierten einiges aus, und ich fand, daß mir alles gut stand, aber zum Schluß steckten sie mich in eine von Bernhards Jeans, die mir viel zu weit waren, und in ein graues T-Shirt, das ziemlich ausgewaschen aussah.
„Du mußt dich ein bißchen an die Gepflogenheiten hier anpassen“, erklärte B.
Ich schaute in den Spiegel und kam mir vor, als ginge ich zu einem Vorstellungsgespräch bei der Müllabfuhr. Aber wenn das hier in Mode war …
Wir trafen Lipstick in einem kleinen schwulen Restaurant. B sagte, sie wollten den Abend langsam angehen lassen, was immer das bedeutete. Sicher wieder eine seiner Regeln.
„Lipstick ist die beste Begleitung zum Kneipenhoppen“, erklärte Edvard. „Seit ich mit dem Professor zusammen bin, kenne ich die Szene nur noch vom
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