Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)
„Wir können Ma gleich anrufen“, sagte er.
„Gibt es denn keinen Zeitunterschied?“
Bernhard schaute mich entgeistert an. „Simbabwe liegt im Süden, mein Schatz. Gleiche Zeitzone, wenn ich nicht irre.“
Ich drückte Malvyn das Telefon in die Hand. „Hier, ruf du sie an, dann gib mir den Hörer. Geh in dein Zimmer und erklär ihr erst mal deine ganze Geschichte. Klaro?“
Malvyn fiel Bernhard um den Hals.
„Bedanke dich lieber bei deinem Halbonkel“, sagte er, und der Tonfall seiner Stimme ließ mich aufhorchen.
Malvyn umarmte dann auch mich und gab mir einen Kuß, bevor er mit dem Telefon in seinem Zimmer verschwand.
„Vielleicht war es richtig, daß er sich bei dir zuerst bedankte“, sagte ich und schaute meinem Mann tief in die Augen. Er hielt meinem Blick nicht stand, ging statt dessen ins Bad und hängte seine nassen Hosen über die Wanne.
Ich folgte ihm, holte den Wäscheständer aus dem Abstellraum, spannte ihn auf und packte die Hosen darüber. „Und du bist sicher, daß wir das Richtige tun?“ fragte ich, während ich auch meine Sachen darüberhängte.
„Ganz sicher“, antwortete er und flüchtete vor mir.
Ich rubbelte meine Haare trocken und schaute in den Spiegel; ein ziemlich erledigter Edvard starrte mir entgegen. Ließ ich gerade einen Ochsen aus mir machen?
„Aber er braucht doch eine Aufenthaltserlaubnis“, rief ich Bernhard hinterher. „Außerdem muß er ordentlich Deutsch lernen, wenn er studieren will, und er kann nicht ewig bei uns wohnen.“ Ich wollte es ausreizen. Plötzlich wollte ich wissen, wie weit Bernhard gehen würde. Rechnete er sich etwa Chancen bei diesem jungen Kerl aus? Wo würde ich abbleiben? „Wer soll das überhaupt alles finanzieren?“
„Schon wieder ein Text aus meinem Part in dieser Beziehung, Edvard?“ Bernhard saß im Wohnzimmer und hatte die Zeitung aufgeschlagen.
Ich hätte ihn natürlich auch direkt fragen können, ob er mit seiner Unterstützung für Malvyn erotische Ziele verfolgte, aber was hätte das gebracht? In Null Komma nichts hätte das in einer Szene geendet. Außerdem hätte ich keinen Fuß auf den Boden gekriegt, denn sachlich gesehen gab es genügend Argumente, um meinen Verdacht vom Tisch zu fegen.
„Was soll das?“ fragte Bernhard und schaute von seiner Zeitung auf. „Willst du unsere eingefahrenen Rollen vollends durcheinanderbringen?“
Rollen durcheinanderbringen? Ich schaute ihn an. Er lächelte. Nein, Bernhard würde mich niemals für ein Bübchen verlassen, dessen war ich mir sicher. Wir gehörten zusammen, das stand außer Frage. Und wenn Berni tatsächlich mal mit Malvyn Sex hätte, wäre das für uns alle nur zum besten.
„Was würdest du denn darauf antworten“, fragte Berni, „wenn ich dir diese Frage gestellt hätte?“ Er lächelte mich verschmitzt an.
„Eins nach dem anderen, und alles zu seiner Zeit“, leierte ich meinen Standardspruch für Problemsituationen herunter. „Leben im Hier und Jetzt und nicht im Morgen und Dort.“
Wir schauten uns lange in die Augen. Ich ging auf ihn zu, schob die Zeitung zur Seite, nahm ihn zwischen meine Beine, indem ich mich aufs Sofa kniete und küßte ihn. Nein, Bernhard würde unsere Beziehung niemals aufs Spiel setzen.
Malvyn schoß ins Wohnzimmer: „Ed? Ed!“
„Was?“
„Hier! Meine Ma.“
Ich nahm ihm den Hörer aus der Hand: „He, Angelika. Lange nichts mehr von dir gehört.“
„Hallo, Edvard. Wie geht’s dir?“
Ich stand auf und wanderte ins Arbeitszimmer hinüber, damit ich ungestört sprechen konnte. „Abgesehen von der kleinen Überraschung, mit der uns dein Söhnchen heute morgen aufgewartet hat …“
„Es tut mir leid, daß ich dich nicht vorgewarnt habe. Ich habe geahnt, daß Malvyn … zu dir fahren wollte. Daß er anders ist, das haben wir geahnt, aber … ich wußte auch nicht … die Familie … du weißt.“
„Ja, ich weiß. Ich kann mir schon denken, daß du in einer schwierigen Situation warst.“
„Ich hab wirklich lang mit mir gerungen. Dann hat mir meine Freundin erzählt, daß sich Pasnghi Nyathi, der Vorsitzende der GALZ, umgebracht hat, weil er es als Homosexueller hier nicht mehr ertragen hat. Ich hatte Angst. Malvyn ist so sensibel, ich dachte, wenn ich ihn nicht fahren lasse, dann tut er sich womöglich was an.“
Ich erinnerte mich an die Szene mit dem Tranchiermesser, aber davon wollte ich ihr jetzt nichts erzählen. „Vergiß es, Angelika. Es ist passiert, jetzt ist es raus, und ich und mein Freund,
Weitere Kostenlose Bücher