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Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)

Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)

Titel: Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Niederwieser
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er trug ein Tütü, eigentlich eine großartige Verkleidung, nur an ihm – sah man von den feisten, behaarten Waden ab – wirkte es ziemlich natürlich. Und dann waren noch ein paar Geschäftsfreunde da, unter anderen Heiner und Fritz, die wir die „Kaufwütigen“ getauft hatten, weil sie regelmäßig zu Walmart fuhren und alles kauften, was im Angebot war – die Regalböden ihrer Schränke bogen sich unter Zahnpasta, Toilettenpapier und Eiernudeln.
    Sie stürzten sich auf Bernhards Mutter, und Oma stand ohne Zögern von ihrem Rollstuhl auf, um sich von jedem einzelnen umarmen zu lassen.
    „Und was ist mit uns, Schätzchens?“ sagte ich und spielte empört. „Beachtet uns vielleicht auch jemand?“
    Malvyn, Kim und ich wurden geküßt, einmal links, einmal rechts, während Hannah die ersten Schultern erklomm – nämlich die von Barbarella, weil sie dort am höchsten saß –, und von da aus herumgereicht wurde. „Piep, piep. Wie heißt das Tier, das Piep macht?“ fragte sie in die Runde. Aber kaum einer hörte ihr zu.
    „Ein Vogel“, antwortete Mutter Lydia.
    „Ja, Oma. Aber was für einer?“ In etwas mehr als zwei Monaten war sie bereits vier; die Gespräche wurden anspruchsvoller.
    „Okay, Leute. Was liegt an?“ fragte ich und deutete auf die Bühne.
    „Das Übliche: Man versteht kein Wort. Aber es ist bestimmt sowieso nichts Neues dabei“, antwortete Fritz.
    Die ersten Regentropfen platschten auf unsere Köpfe. Hannah zappelte und wollte sofort auf den Boden gelassen werden. Dort tanzte sie den Reistanz – er war zu einem unserer Standardspiele geworden – und sang dabei ihr herzzerreißendes Kauderwelsch, das von Mal zu Mal andere Buchstabenfolgen enthielt, was zwar nicht richtig war, aber ansteckend. Malvyn, der sie das noch nicht hatte singen hören, lachte sich schief, dann tanzte er mit ihr und versuchte, ihr nachzusprechen, was wiederum sie amüsierte. „Nein, Malvyn!“ rief sie. „Fare neua tine mapungo.“
    „So viele Menschen“, bemerkte Oma.
    „Bei Sonnenschein wären noch mehr gekommen“, sagte ich.
    „Denk nur, wieviel mehr es sein könnten“, sagte Jeff mit einem starken amerikanischen Akzent.
    „Was meinen Sie damit?“ fragte Bernhards Mutter.
    Der General schaute mich an. Vor sechs Jahren hatte er seinen Freund zu Grabe getragen. „Aids, Frau Moll. Diese Krankheit hat eine ganze Generation ausgemerzt.“
    „Echte Lederkerle gibt es kaum mehr“, brummte Jeff, „die meisten sind gestorben. Diese Hänflinge …“, er deutete auf ein paar Jungs, die in schwarzen Lederhosen herumstanden, „verstehen die Uniform doch nur als Modegag.“
    Dazu sage ich nichts. Ich hätte gerne meine Lederklamotten angezogen, ich fand Leder einfach nur chic.
    Malvyn zupfte mich am Ärmel und deutete in die Menge. „Siehst du den da mit dem Trachtenhemd?“
    Ich sah viele, die in Trachtenoutfits unterwegs waren.
    „Wen?“
    „Na, den mit dem Halstuch.“
    Viele trugen Halstücher, die meisten ein rotes; so viele, daß man sich fragen mußte, ob sie überhaupt wußten, was diese Farbe bedeutete?
    Jetzt sah ich den Jungen, den er wohl meinte; er hatte einen Pagenschnitt.
    „Das mit dem hanky code hab ich vergessen. Was bedeutet es, wenn einer ein rosafarbenes Tuch trägt?“
    „Reden, darling“, sagte Jean-Paul. „Reden“, und wir lachten.
    Um Punkt eins setzte sich der Zug in Bewegung, und als hätte man die Uhr danach gestellt, begann es zu regnen. Lydia setzte sich wieder in den Rollstuhl, und wir spannten einen regenbogenfarbenen Schirm für sie auf. Dann beobachteten wir die Wagen, die an uns vorbeizogen.
    „Was für hübsche Frauen da mitlaufen“, bemerkte Mutter Lydia erstaunt. „Edvard, sind die …? Ich meine, stehen die auf …?“
    „Frauen?“
    Sie nickte.
    Ich wußte nicht, welche sie meinte. Am Hofgarten hatte sich ein Grüppchen von Lipstick-Lesben zusammengefunden, weiter links auf dem Mittelstreifen standen diesel dykes in Lederkluft, aber es sprang alles Mögliche herum, was durchaus auch der Abteilung fag hag hätte zugeordnet werden können.
    „Welche meinen Sie?“ fragte ich.
    Sie deutete auf ein paar Transen, die ganz in unserer Nähe standen, und die ich nicht beachtet hatte, eben weil Oma von Frauen gesprochen hatte und ich davon ausging, daß sie „Bio-Frauen“ meinte. „Oh, das sind Transen“, erklärte ich, „also eigentlich Männer, jedenfalls biologisch gesehen. Die könnten auf Männer stehen oder auf Frauen, was sie in letzterem Fall dann

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