Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)
traurig, daß ich sie nicht kennenlernen würde.“
„Die Gelegenheit wirst du nun zur Genüge bekommen, allerdings wirst du dich mit dem Arbeitszimmer begnügen müssen, weil wir sie im Gästezimmer einquartiert haben.“
„Kein Problem, Bruder.“ Er strahlte übers ganze Gesicht. Sicher war er darüber sogar erleichtert. Bei dem Saustall, der in Bernis Arbeitszimmer herrschte, würde seiner gar nicht auffallen.
„Und wie soll ich sie nennen?“ fragte Malvyn noch. „‚Bernhards Mutter‘ klingt komisch.“
„Sie heißt natürlich Frau Moll“, antwortete ich. „Wir sagen inzwischen ‚Oma‘ zu ihr, wegen Hannah.“
„Okay, Mann. Kein Problem.“
Berni saß mit seiner Mutter am Tisch. Sie stand auf und schüttelte Malvyn die Hand. „Guten Tag, Malvyn“, sagte sie. Wir hatten sie auf ihn vorbereitet. Wir hatten ihr gesagt, daß er aus Simbabwe kam, schließlich wollten wir vermeiden, daß seine Hautfarbe sie überraschte.
„Hi, Frau Moll“, sagte er und umarmte sie.
Ihre Wangen färbten sich rosig. „Es tut mir leid, daß ich Sie aus dem Gästezimmer verdrängt habe“, sagte sie hastig. Ihre Augen waren weit aufgerissen.
„Das ist überhaupt kein Problem, Frau Moll“, sagte Malvyn. „Wir sind doch eine Familie.“
„Frau Moll, wie das klingt“, sagte Oma. „Sag doch auch einfach Oma zu mir, wie alle anderen.“
Malvyn überlegte einen Moment und fragte dann: „Darf ich auch Nani zu dir sagen? Ich habe meine Oma immer Nani genannt.“
Oma schaute Berni an, der senkte den Blick, dann schaute sie mich an; ich lächelte. „Wenn du meinst.“
Malvyn hatte sie einfach geduzt. Er hatte sie sicher mißverstanden. Ob ihr das recht war? Dann ging Malvyn ins Arbeitszimmer und packte seinen Koffer aus.
„Er muß jetzt erst mal seinen Kram um sich herumstreuen, wie ein Bauer das Korn auf dem Feld, sonst fühlt er sich nicht wohl. Wie wär’s, wenn wir solang einen Spaziergang machen?“
Um sechs aßen wir zu abend. Nur Kleinigkeiten, was immer im Kühlschrank herumlag: ein bißchen Salat, gebratene Steinpilze, ein paar Garnelen, Baguette, das ich im Ofen aufbuk, Kräuterbutter, Wurst und Käse.
„Übrigens, Kim hat angerufen“, sagte Berni. Typisch. Kaum vergeht ein halber Tag, schon erinnert er sich daran, mir etwas auszurichten. „Sie sagt, sie kommt morgen früh gegen elf …“
„Also wird es zwölf“, sagte ich und fuhr ihm durchs Haar. „Dann müssen wir aber sofort los, damit wir den Straßenzug nicht verpassen. Ich hab keine Lust, anzukommen, wenn die Parade schon voll im Gange ist.“
Ich hatte mir vorgenommen, rechtzeitig zur Auftaktkundgebung dort zu sein, damit Oma ein bißchen was von den Reden und damit von unseren Problemen mitbekam. Aber wegen Trödelliese Kim würde daraus nun nichts werden.
„Wer kommt denn alles mit auf den CSD?“ fragte Malvyn.
Ich sah ihm an, daß er eigentlich nur wissen wollte, ob Max dabei sein würde.
„Lipstick und Gerhard und Jean-Paul werden dabei sein. Max kommt sicher nicht, der ist noch nie auf dem CSD gewesen.“ Er war nicht der Typ dafür.
Ich sah, wie Malvyn in sich zusammenfiel.
„Und du?“ fragte Oma ihren Sohn. Diese Frage hätte sie sich sparen können: Auch er war nicht der Typ dafür, auf die Straße zu gehen und für seine Rechte zu demonstrieren.
Er schüttelte den Kopf: „Keine Handvoll von denen, die da nackig rumlaufen, wissen doch überhaupt, was der Anlaß für diese Demo ist. Das Ganze ist zu einem Faschingsumzug verkommen, mehr nicht. Nein, da gehe ich nicht hin.“
„Und wer schiebt dann meinen Rollstuhl?“ fragte Oma.
Je näher wir an die Feldherrenhalle kamen, desto mehr überkam uns der beat. Malvyn und Kim wiegten ihre Hüften im Rhythmus der Musik, Hannah tat es ihnen auf ihre, sehr lustige Weise nach. Ich hatte mit Lipstick und dem Rest der Clique ausgemacht, daß wir uns am großen Lichtmasten treffen würden, und dort warteten sie auch schon, als wir dann endlich – mit etwa einer Stunde Verspätung – ankamen.
Lipstick hatte sich in ein Dirndl geworfen, Flori, einer von meinen Verkäufern, war als himmelblaue Fee verkleidet und trug einen Hut, so groß wie ein Wagenrad. Jeff, der General – bis vor zwei Jahren war er tatsächlich General der US Armee –, stand in voller Ledermontur da und machte das passende Gesicht dazu; Gerhard, sein Freund, wegen dem Jeff nach Deutschland gekommen war, hatte sich erkältet und konnte deshalb nicht dabeisein. Auch Barbarella hatte sich eingefummelt;
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