Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)
wenig länger blieb?
In diesen letzten beiden Juliwochen war die Stimmung zu Hause gespannt. Das hatte vornehmlich zwei Gründe: Zum einen war B – nach Angaben von Ed – in den letzten Tagen vor den Ferien einfach „ausgelutscht“; es ging ihm wohl jedes Jahr so. Zum anderen verschlechterte sich Adrians Zustand von Woche zu Woche, was nicht nur Bs Laune versauerte, sondern auch Nani oftmals sehr schweigsam herumsitzen ließ. Das war so deutlich zu spüren, daß es sogar Eds Gemütslage irgendwann verhagelte; nicht lange, aber lange genug, um mich aus der Wohnung zu treiben.
München hatte schöne Freibäder, nicht so schöne wie Harare, aber schön genug, um sich die Stunden zu vertreiben – solange es das miese Wetter überhaupt zuließ. Ich war auch viel mit Mäxx zusammen; er war schwierig, und trotzdem mochte ich ihn, außerdem hatte er Zeit, was ihn zu einer Ausnahme unter den Deutschen machte. Wir gingen spazieren, er führte mich durch Museen, trank mit mir und erzählte dabei Geschichten; letzteres konnte er am besten.
Ich war gern mit ihm zusammen, und dabei war es völlig unwichtig, was wir taten. In meinem Bauch prickelte es, als hätte ich zuviel Brause gegessen, und ich war immer ein bißchen überdreht. Fühlte sich Liebe so an?
„Wie unterscheidet man Liebe von Lust auf Sex?“ fragte ich B, der sich seit meiner Rückkehr leider sehr von mir fernhielt.
Die Frage schreckte ihn auf; er musterte mich lange, bevor er antwortete. „Schwierig. Ich bin da kein Fachmann dafür, weil Edvard der erste Mann ist, den ich wirklich liebe.“
„Du hast dich nie in andere Männer verknallt?“
„Na ja. Ich fand immer mal jemanden attraktiv, aber ich bin ja mit Edvard zusammen.“ Er betonte das immer wieder.
„Und wie bist dann damit umgegangen?“ fragte ich. „Ich meine, hast du es dir verboten, oder was machst du mit diesem Prickeln in deinem Bauch?“
B schaute mich mit durchdringendem Blick an. „Hast du dich verliebt, Malvyn?“
Es war dieser autoritäre Lehrerblick, der einem einerseits die absolute Wahrheit abverlangte, anderseits geradezu zum Lügen animierte: „Nein, ich frag ja bloß.“
Meine Antwort schien ihn zu erleichtern; er war sichtlich entspannter. Dann dachte er eine Weile nach; B gab sich immer große Mühe, wenn er mir etwas zu erklären versuchte. „Einmal, das war auf einer unserer Partys, da ich fand ich jemanden sehr attraktiv, ein alter Freund von Edvard. Es kam überhaupt nicht in Frage, mit ihm zu flirten, aber er hat mich irgendwie angemacht. Partys sind nicht mein Ding, mußt du wissen. Ich steh da meistens nur in einer Ecke und frag mich, was ich da soll. Aber es war ja unsere Party; ich konnte also nicht weg. Ich stand rum, und dieser Typ lief immer wieder an mir vorbei. So hab ich ihn beobachtet, den ersten Impuls, mit ihm zu flirten, zur Seite gestellt, gewartet und beobachtet. Ich habe ihn nicht durch die Augen meiner Erregung angeschaut, sondern fast analysiert, verstehst du? So sind mir bald Dinge an ihm aufgefallen, die ich nervig fand, und dann hatte ich kein Interesse mehr.“
„Das ging so einfach, weil du in einer Beziehung steckst, weil du jemanden hast, den du liebst. Für mich ist das nicht so einfach.“
„Es wird noch einfach, das versprech ich dir. Ich hatte das schon in der Zeit vor Edvard gelernt. Damals, als ich noch Sex mit Männern hatte, von denen ich nicht mal den Namen wußte, wurde ich so oft frustriert – das ist der Grund, warum sie danach immer gleich abhauen und sich nicht mal voneinander verabschieden. Wenn du das oft genug erlebt hast, bist du nicht mehr so scharf drauf, jede Gelegenheit mitzunehmen.“
„Aber ich hab es noch fast gar nicht erlebt, B. Das vergißt du immer.“
Wieder dieser durchdringende Blick, als versuchte er, in meinen Augen genau die Antwort zu lesen, die mir helfen würde. „Jeder baut eine imposante Fassade auf, aber hast du dir die Typen schon mal von hinten angesehen?“
Ich lachte.
„Nein, im Ernst, Malvyn. Vorne zeigen sie dir den finsteren, harten, starken Macho. Hinten siehst du die gekrümmte Haltung, den eingezogenen Hals. Hinter der Fassade hockt einer, der immer ausgelacht oder runtergemacht wurde. Überleg dir, ob du so jemanden ein paar Jahre lang ertragen willst?“
„Meinst du das wirklich im Ernst?“ fragte ich.
Er streckte zwei Finger in die Höhe: „Indianerehrenwort.“
„Aber es sind doch manchmal gerade die Unzulänglichkeiten, die den anderen so liebenswert machen,
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