Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)
denn?“ schrie ich. „Du machst doch genau das, was du immer machst. Du kümmerst dich sowieso kaum um sie!“
Er setzte sich auf und streckte die Hand nach mir aus. „He, he. Was drehst du gleich so auf? Ich war auf vier Wochen eingestellt. September, das sind mindestens noch sechs Wochen. Ich hatte mich so darauf gefreut, mal wieder nach Hause zu kommen und einen Abend mit dir alleine zu verbringen. Kannst du das nicht verstehen?“
Ich ging einen Schritt auf ihn zu, nahm seine Hand und drückte sie. Er zog mich auf seinen Schoß, und dann fiel ich in seine Arme. Er küßte mich, daß mir Hören und Sehen verging.
„Hilfe! Vergewaltigung!“ schrie ich leise, erwiderte aber seinen Kuß. Ich drückte ihn nach hinten und saß im Nu auf seinem Becken, dann fiel ich über ihn her. „Du mußt es auch mal so sehen“, sagte ich. „Das mit dem Alleinsein würde eh nicht laufen. Unser Ziehsöhnchen packt schon die Koffer, und in ein paar Tagen belagert er wieder unser Haus und richtet hier einen Riesensaustall an. Du und ich allein, das kannst du sowieso erst wieder haben, wenn Hannah erwachsen ist.“
„Stimmt“, sagte Berni und zog mich zu sich hinunter. „Außerdem: Was bleibt mir schon anderes übrig? Ich kann Mama ja wohl kaum rausschmeißen?“
Edvard *
Ich holte Malvyn vom Flughafen ab; es war Mitte Juli – der Samstag vor dem Münchner CSD –, und das Wetter eine Katastrophe. Im Jahr zuvor hatten wir geschwitzt und uns einen Sonnenbrand geholt. In diesem Jahr würden wir bestimmt im Regen stehen, und kein afrikanisches Regenlied würde helfen, die Stimmung von Zehntausenden aufzuhellen.
Bei unserem letzten Telefongespräch kam heraus, daß der Typ, David, mit dem er zwei Wochen davor „ins Gespräch gekommen war“, ihn ziemlich verarscht hatte. Und weil wir davon ausgingen, daß Malvyn geknickt sein würde, fuhr ich zum Flughafen: um das Schlimmste abzufangen, bevor er Bernhards Mutter gegenübertrat – ich wußte ja nicht, ob er in ihrer Gegenwart über das reden würde, was ihn verletzt hatte.
Malvyn war eigentlich nichts Dramatisches zugestoßen – unsereins hätte darüber vielleicht sogar herzlich gelacht –, aber für seine junge Seele, die sich zum ersten Mal einem Fremden anvertraut hatte, kam es einem Brückeneinsturz gleich.
Malvyn hatte David in einer Bar kennengelernt und war nicht gleich mitgegangen, sondern hatte sich brav an unsere Ratschläge gehalten: „Wenn dich einer mag, dann kann er auch warten“, hatten wir ihm am Telefon gesagt.
Zuerst ließ er sich von David zum Essen einladen. „Laß ihn beweisen, daß ihm was an dir liegt. Wenn er nicht bereit ist, dir ein Essen zu spendieren, ist sein Interesse nur auf eins beschränkt.“ Dann wurde im Kino Händchen gehalten, und erst auf dem dritten date begleitete Malvyn ihn nach Hause.
Dort ließ er sich zeigen, mit welchem Gerät seine Ersterrungenschaft gedachte, ihn zu rasieren. Da es ein ganz normaler Ladyshaver mit Doppelklinge war, willigte er ein.
Sie hatten Sex, Safer-Sex wohlgemerkt, kuschelten, unterhielten sich lange und tranken Bier, dann erst ließ Malvyn sich rasieren – was bei seiner Art von Schambehaarung nicht ganz einfach gewesen sein muß. Und weil es ihm so viel Spaß gemacht hatte, hatten sie gleich noch einmal Sex.
Es muß alles gut verlaufen sein, und dieser David hörte sich – laut Malvyns Beschreibung – an wie ein netter Kerl. So weit, so gut. Nur David hatte einen Freund, mit dem er bis vier Wochen davor zusammengewohnt hatte. Nein, es war nicht das übliche „Ich geh wieder zu meinem Freund zurück, danke für das Intermezzo“, das wäre nicht so schlimm gewesen. Malvyn hatte sich in diesen David nicht verliebt, höchstens verknallt – niemals wäre er seinetwegen in England geblieben, „dafür hatten die Engländer zu schiefe Zähne“, sagte Malvyn in seiner direkten Art –, es war alles ein wenig komplizierter.
An dem Abend, als Malvyn David kennenlernte, war der mit seinem Ex, Terry, in der Bar gewesen – wie Malvyn aber erst viel später erfuhr. Die beiden frisch Getrennten mußten eine dieser Auseinandersetzungen gehabt haben, die Paare nach Trennungen gerne führen: Sie versuchten sich gegenseitig kleinzumachen, bis der eine dem anderen vorwarf, sowieso keinen mehr abzukriegen. Na ja, und zu genau diesem Zeitpunkt trat Malvyn in die Bar, Malvyn, der Knackarsch, Malvyn Ichkannhierjedenhaben, Malvyn Ahnungslosundunschuldig, der in Muskelshirt und Schlabberhosen
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