Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)
zu Lesben machen würde; selbstverständlich nur, wenn es ‚Operierte‘ sind, versteht sich, also Transsexuelle. Wenn es Transvestiten sind, also einfach nur Männer in Frauenkleidern, dann kann es sein, daß sie immer noch auf Frauen stehen.“
Oma drehte sich um und schaute mich entgeistert an. „Das ist mir zu kompliziert. Das erklären Sie mir bitte bei Gelegenheit noch mal.“
Dabei dachte ich, daß ich mich sehr präzise ausgedrückt hatte.
Zwei Jungs ließen sich von einer zur Diva aufgefummelten Transe an die Leine nehmen. Aus den Halsbändern ragten lange, spitze Spikes heraus. Viele liefen trotz des miesen Wetters mit nackten Oberkörpern herum und trugen ihre Tätowierungen und Piercings zur Schau. „Tun die sich da nicht weh, wenn sie sich umarmen?“ fragte Bernhards Mutter.
„Das ist ja der Sinn“, rutschte es mir heraus.
„Oh.“
Von den Wagen flatterte allerlei Werbematerial auf uns herab. Der schwule Chor Münchens, die Philhomoniker, warben in orangeschwarzen Uniformen für ihre Auftritte, Kneipen verteilten Flyer und Gutscheine. Es waren Internetprovider vertreten, Klamottenläden und vieles mehr. Oma schneite eine Einladungen für das Stöckelschuhrennen in den Schoß. „Stöckelschuhrennen?“ fragte sie.
„Mir ist kalt“, jammerte Kim; sie hatte sich tatsächlich sehr sommerlich gekleidet, was in Deutschland im Sommer ja grundsätzlich ein Fehler war.
„Wir gehen auch“, sagte ich. „Oder wollen Sie noch bleiben?“
„Nein, nein. Es ist wirklich sehr frisch für Mitte Juli.“
„Willst du mit Oma und mir zu Berni nach Hause, kleine Prinzessin?“ fragte ich Hannah. „Oder gehst du mit deiner Mama?“
Hannah drückte sich an Kim heran.
„Das wäre ja dann wohl entschieden.“ Ich küßte die beiden, Kim schüttelte Frau Moll die Hand. Nur Malvyn wollte natürlich noch nicht nach Hause.
„Findest du dich zurecht?“ fragte ich, und er antwortete, daß er mit „Jay Pee“ und Barbarella auf den Marienplatz gehen wollte, um ein bißchen zu feiern. Ich ahnte, daß er die nächste U-Bahn zu Max nehmen würde. Er hatte am Abend noch heimlich in seinem Zimmer telefoniert, ich sah es an dem grünen Lämpchen, das an der Feststation geleuchtet hatte.
„Viel Spaß“, wollte ich ihm wünschen, sagte aber: „Viel Glück“, woraufhin er mir dieses großzahnige, sonnige Lachen entgegenbrachte.
„Und wenn du Lust hast, melde dich!“ schickte ich hinterher. „Vielleicht treffen wir uns heut abend auf ein Bier oder so was.“ Wenn sich da tatsächlich etwas zwischen Max und ihm anbahnte, wollte ich es zuerst wissen. Außerdem würde es Malvyn bestimmt leichter fallen, irgendwo draußen mit mir darüber zu sprechen als zu Hause, wo er Gefahr laufen mußte, daß Berni davon Wind bekam.
„Okay, Bruder. Ich ruf an.“
„Und iß was! Nicht nur Caipirinhas trinken. Versprochen?“
„Ja, Papi.“
Ich bahnte mir mit Omas Rollstuhl einen Weg hinüber zum Taxistand. Den Rollstuhl hatten wir mehr oder minder umsonst mitgeschleppt. Ursprünglich wollten wir ja den ganzen Zug mitmachen. Während sie einstieg, klappte ich den Rollstuhl zusammen und ließ den Fahrer das Ding im Kofferraum verstauen.
„Ein netter junger Mann, Ihr Neffe“, sagte sie, sobald wir im Fond Platz genommen hatten. „So aufgeschlossen und ehrlich.“
„Stimmt. Noch unverdorben.“
„Noch? Was meinen Sie damit?“
Ich lehnte mich zurück und dachte einen Moment nach. „Noch“ war mir einfach so herausgerutscht, aber bestimmt hatte mein Unterbewußtsein einen Grund, mich so etwas sagen zu lassen. „Als Malvyn zu uns kam, da war er noch offener und netter gewesen. Er grüßte jeden, dem er begegnete. Damals erzählte er jedem offenherzig alles, was er wissen wollte. Heute verschanzt er sich selbst gern hinter Fragen. Dabei ist das erst zwei Monate her.“
Ich schaute Oma an. „Meinen Sie, Deutschland hat ihn verdorben, oder geht uns das allen so? Werden wir härter und bitterer, je älter wir werden?“
„Viele tun das“, antwortete sie. „Aber es liegt an jedem einzelnen.“
Malvyn *
Ich war mit gemischten Gefühlen auf den CSD gegangen. Natürlich war ich neugierig darauf, und natürlich fand ich allein die Idee, daß Schwule und Lesben für mehr und bessere Rechte demonstrierten, sehr, sehr aufregend. Aber von meiner Heimat war ich gewohnt, daß Ereignisse wie dieses nicht gut endeten. Wären wir deswegen in Simbabwe auf die Straße gegangen, Buhrufe, Drohungen, Prügeleien,
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