Eine zweite Chance für den ersten Eindruck (German Edition)
Menschen gehalten.
Ich nehme mir mein Glas Rotwein und eine Decke mit auf die nachtschwarze Terrasse. Es ist fast Mitternacht und die Luft riecht stark nach Herbst. Ich liebe dieses Wetter. Auch wenn ich morgen arbeiten muss, kann ich nicht einschlafen. Meine Finger ruhen immer noch auf der Tastatur meines Handys. Ich sollte es nicht, aber ich kann nicht anders.
Wie geht es Lucy?
Zu offensichtlich eine Frage, nur um den Kontakt aufrechtzuerhalten.
Ich musste verdammt viele Kniefälle machen, aber sie hat mir verziehen. Wie geht es dir?
Ich kann nicht schlafen.
Nina, ich würde gerne deine Stimme hören. Du fehlst mir. Darf ich dich anrufen?
Nicht heute. Bald. Ich brauche noch etwas Zeit. Wie geht es dir?
Ich kann nicht schlafen. Zu viele Gedanken.
Ich sollte das nicht fragen, dazu habe ich kein Recht. Doch dieser halbanonyme Kommunikationsweg macht es einfacher.
Wirst du jemals ein freies Herz haben?
Seine Antwort dauert länger, als für meine Nerven gut ist. Nervös nehme ich einen großen Schluck Rotwein.
Das ist nicht so einfach zu beantworten. Sie wird immer ein Teil von mir sein. Wir haben uns nicht getrennt, sie ist tot. Und Lucy, als ein großer Teil von ihr, wird immer bei mir sein. Aber Nina, ich habe definitiv noch viel Platz für eine neue Liebe in meinem Herz.
Dieser Kerl straft echt alle Vorurteile Lügen.
Wie war ihr Name?
Jasmin Luciana
Deswegen Lucy?
Ja, deswegen Lucy. Wir wollten erst nach der Geburt einen Namen auswählen. Den Part musste ich alleine erledigen.
Warum warst du so betrunken am Montag, wenn du doch dachtest, dass es dir besser geht?
Wegen dir. Weil ich es verbockt habe. Zusammen mit dem Todestag … Nina, darf ich dir mal etwas verraten? Auch wenn du dazu neigst, mir das nicht zu glauben.
Sprich dich aus.
Du bist die einzige Frau, mit der ich seit meiner Frau geschlafen habe.
Du hast recht, es ist schwer zu glauben.
Was kann ich tun, um dein Vertrauen zurückzugewinnen?
Mir Zeit geben.
Okay. Kann ich in der Zwischenzeit dein Freund sein? Rein platonisch?
Und wie stellst du dir das vor?
Ich will nicht mehr, dass du im Kindergarten vor mir flüchtest. Ich will wieder mit dir reden, ohne geschlagen zu werden. Ich will dich zum Kaffee einladen und dir in die Augen sehen, ohne dass mir purer Hass entgegenschlägt. Ich will dich auch noch mal in den Arm nehmen können.
Ich habe mir hoch und heilig geschworen, ihm erst mal die kalte Schulter zu zeigen. Doch wie könnte ich jetzt noch?
Ich glaube, damit könnte ich leben.
Hast du Freitagabend Zeit? Der Coffeeshop bei dir um die Ecke soll ganz nett sein.
Natürlich verliert er keine Zeit.
Ich habe Zeit. Und du offensichtlich keine zu verlieren.
Natürlich nicht. Das Leben kann sehr kurz sein. Ich glaube, jetzt kann ich schon besser einschlafen. Sweet dreams, Nina.
Gute Nacht, Eric. PS: Ich hasse dich nicht.
Benebelt, nicht vom Rotwein, sondern vor Verwirrung, taumele ich ins Bett und träume von Eric, wie er mir Kaffee ans Bett bringt, anstatt ihn mit mir im Coffeeshop zu trinken.
9.
Nach dem ganzen Stress mit meinem Bruder hat David mich angefleht, mir Freitag freizunehmen und uns mittags zu einem Versöhnungsessen bei unserem Lieblingsitaliener zu schleppen. Mir kommt der freie Tag ganz gelegen, damit ich mich psychisch auf das Treffen mit Eric vorbereiten kann. Außerdem muss ich die ganze Geschichte mit Thorsten dringend klären.
Auf dem Weg ins Restaurant herrscht peinliche Stille. Ich habe mich bei David eingehakt und Thorsten schlendert hinter uns her.
Nachdem wir unseren Tisch zugewiesen bekommen haben, nehmen mich die Beiden in ihre Mitte. Thorsten legt einen Arm um meine Schultern und zieht mich an sich.
„Ich halt das nicht aus“, murmelt er in meine Haare.
„Ich auch nicht“, schniefe ich. „Es tut mir so leid, was ich wegen Papa gesagt habe. Das war unfair. Papa wäre verdammt stolz auf dich, wenn er wüsste, was du für mich alles getan hast.“
„Und mir tut es leid, dass ich wegen Eric so überreagiert habe. Ich habe zwar immer noch nicht die beste Meinung von ihm, aber das war vielleicht ein bisschen übertrieben.“
„Nicht nur vielleicht und ein bisschen.“
Als wir alles geklärt haben und endlich wieder gut sind, wird David neben mir immer unruhiger.
„Nina, wir möchten dir gerne etwas erzählen“, sagt er neben mir. „Darf ich?“,
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