Eine zweite Chance für den ersten Eindruck (German Edition)
mache ich eigentlich hier? Was mache ich eigentlich hier? Was mache ich eigentlich hier? Dieser Typ steht splitterfasernackt hinter mir und kotzt, was nichts daran ändert, dass ich ihn immer noch anziehend finde. Was mache ich hier?
Eric hat endlich seinen Magen entleert, also schiebe ich ihn unter den lauwarmen Duschstrahl und werfe ihm ein Badetuch über die Duschabtrennung.
„Wenn du wieder halbwegs klar bist, warte ich in der Küche auf dich. Ich hoffe, du hast Kaffee.“
Eric gibt nur ein Grunzgeräusch als Antwort von sich.
Zwanzig Minuten später kommt er in einen schwarzen Bademantel gehüllt, mit der Kapuze auf dem Kopf, in die Küche. Sein Blick ist schon wesentlich klarer, doch er sieht vollkommen erschöpft aus. Er lässt sich auf den Küchenstuhl fallen und weicht meinem drängenden Blick aus. Ich schiebe ihm eine dampfende Tasse Kaffee Marke Herztod hin und warte auf eine Reaktion. Eric scheint mich weiter ignorieren zu wollen, also spreche ich.
„Eric! Eine Chance. Keine Halbwahrheiten. Rede!“
Er hält sich krampfhaft an seiner Kaffeetasse fest und sieht mich immer noch nicht an. Nach mehreren Minuten habe ich genug und stehe auf.
„Ich gehe jetzt“, sage ich und will gerade aus der Küche marschieren, als Eric mich am Arm festhält.
„Stay. I’ll tell you.“
Seufzend lasse ich mich wieder auf den Stuhl fallen. Eric sieht mich endlich an. Erst jetzt erkenne ich, dass das Weiße in seinen Augen fast vollständig rot angelaufen ist. Ich würde beinahe vermuten, dass er über Stunden geheult hat.
„Ich höre.“
Eric schiebt seine Tasse beiseite und will meine Hände greifen, doch ich ziehe sie zurück.
„Das verdiene ich wohl. Nina, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.“
„Vielleicht bei dem Tag, an dem ich dich mit deiner Frau im Kindergarten gesehen habe.“
„Das war nicht meine Frau. Das ist meine Schwester.“
„Ja, genau.“ So eine Antwort habe ich schon fast erwartet.
„Nina, wenn du mir nicht glaubst, können wir gerne jetzt rüber gehen und meine Mutter fragen. Vielleicht ist meine Schwester sogar zuhause und du kannst dich persönlich bei ihr überzeugen. Ihr Name ist Kathy und sie ist meine Schwester. Sie war an dem Tag mit im Kindergarten, weil sie für mich Lucy abholt, wenn ich keine Zeit habe. Und damit ich an diesem Tag nicht alleine war. Du magst mich für ein gefühlskaltes Arschloch halten, und du hast auch jedes Recht dazu, aber es war für mich nicht einfach, mein Baby zum ersten Mal in fremde Hände zu geben.“
Eric reibt sich angestrengt die Schläfen, vermutlich fühlt er schon die ersten Anzeichen eines Katers.
„Was ist mit deiner Frau?“
„She’s gone.“ Und schon weicht er wieder meinem Blick aus.
„Ich bin nicht hier, um dir alles aus der Nase zu ziehen. WAS IST MIT DEINER FRAU?“
Eric stöhnt angestrengt und legt sein Gesicht in die Hände. Er schluckt mehrmals lautstark, als wollte er ein Würgen unterdrücken. „Sie ist tot“, sagt er schließlich.
Jetzt habe ich das Gefühl, mich übergeben zu müssen. Ich nehme doch seine Hände, damit er mich ansieht.
„Seit wann?“, frage ich leise.
„Heute vor 4 Jahren. She died thirty minutes after the birth of Lucy.“
Scheiße. Was soll ich dazu sagen? Ich habe mir vieles ausgemalt, aber das ganz sicher nicht.
„Erzähl es mir, denn ich weiß gerade nicht, wie ich reagieren soll.“
Eric lächelt und streichelt mit den Daumen über meine Knöchel. „I miss her.“ Seine Augen füllen sich mit Tränen und ich fühle einen völlig unangebrachten Stich von Eifersucht.
„Was ist passiert?“
„Eine Hirnblutung. Niemand konnte es vorhersehen. Sie ist einfach eingeschlafen. Mit Lucy im Arm. Wir waren so glücklich und dann war sie einfach nicht mehr da.“
„Das erklärt deinen Zustand. Dennoch kann ich es nicht entschuldigen, was heute mit Lucy passiert ist.“
Eric verkrampft beim Namen seiner Tochter und hält meine Hände noch fester. „Wo ist sie jetzt?“, fragt er zaghaft.
„Bei deiner Mutter. Der du übrigens zu verdanken hast, dass ich überhaupt hier bin.“
„Nina, glaub mir. Das ist noch nie passiert. Ich habe mich die letzten 4 Jahre jeden Tag um meine Tochter gekümmert. Ich bin ihr Vater, mit Haut und Haar. Meine Eltern oder meine Schwester springen wirklich nur im Notfall ein. Eigentlich hätte ich eine Abholung für sie organisiert. Eigentlich weiß meine Familie, was heute für ein Tag ist. Eigentlich dachte ich, es geht mir besser. Es
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