Eine zweite Chance für den ersten Eindruck (German Edition)
ist nichts, wie es auf den ersten Blick scheint.“
Eric lächelt mich über seine Tasse an und pustet dabei in die heiße Flüssigkeit.
„What you see, is what you get“, antwortet er schließlich.
„Jetzt ja, am Anfang nicht.“
„Bist du denn zufrieden damit? Trotz meiner Vergangenheit und den Umständen, die Lucy mit sich bringt?“
Ich stelle meine Tasse beiseite und reiche über den Tisch nach seinen Händen. Bereitwillig gibt er sie mir und ich verschränke unsere Finger.
„Lucy ist kein Umstand, sie ist dein Kind. Eric, du musst dir keine Gedanken darüber machen, ob es mir zu viel wird. Lucy ist ein großer Teil von dem, was dich ausmacht. Ohne sie wärst du nicht der Mensch, der du jetzt bist. Und ich will keinen anderen Eric.“
Er zieht an meinen Händen und deutet mit einem Kopfnicken, mich auf seinen Schoß zu setzen. Scheinbar ist er gerade etwas sprachlos.
Natürlich gehe ich um den Tisch herum und setze mich auf seinen Schoß. Eric nimmt mein Gesicht in seine von der Tasse angewärmten Hände und sieht mich liebevoll an. Tränen glitzern in seinen Augenwinkeln, doch ich kommentiere das nicht. Ich finde es toll, dass er mir gegenüber seine Gefühle zulassen kann. Dennoch ist mir bewusst, dass ein unbedachtes Wort schnell eine unsichtbare Grenze überschreitet. Er lehnt seine Stirn an meine und atmet ein paar Mal tief durch, um mir dann einen zärtlichen Kuss auf die Lippen zu drücken.
„I wanna tell you many things, beautiful girl. But I know it’s a little bit too early for that.”
Ich nicke und lege meine Arme um ihn, denn Worte sind manchmal einfach überflüssig. Aus dem Augenwinkel sehe ich in der Ecke des Raums eine Gitarre stehen, die mir bisher nicht aufgefallen ist.
„Du spielst?“, frage ich erstaunt.
„Ein bisschen“, antwortet er verlegen. „Ich war in der Highschool in einer Band. Wir haben uns das spielen selbst beigebracht. Ich bin nicht besonders gut.“
Er versucht, sich rauszureden, weil er schon vermutet, was ich möchte. Doch nicht mit mir.
„Spielst du mir was vor?“, frage ich mit Hundeblick.
„Ich bin wirklich nicht gut“, versucht er sich rauszuwinden.
„Bitte, bitte. Ich mach euch morgen auch Frühstück. Ich kann gute Pancakes machen. Bitte!“
Genervt schiebt Eric mich von seinem Schoß und holt die Gitarre. Er setzt sich wieder auf den Stuhl und ich setze mich vor ihn auf die Tischkante.
„Ich hab das Teil letzte Woche erst wieder aus der Garage geholt und etwas damit experimentiert. Ich habe seit Jahren nicht mehr richtig gespielt“, sagt er unsicher und erst jetzt merke ich, dass er nur so genervt reagiert hat, weil er nervös ist.
„Ist das nicht so ähnlich, wie Fahrrad fahren. Etwas, das man nie verlernt.“
„So ähnlich, ja.“ Unsicher zupft er an den Saiten und sieht dann zu mir auf. „Ich mach das nur für dich, das ist klar, oder?“
„Klar.“ Ich hebe abwehrend die Hände und warte darauf, dass er endlich anfängt. Schnell entziffere ich die ersten Akkorde als Enjoy the silence von Depeche Mode. Was mir absolut die Schuhe auszieht und womit ich nie gerechnet hätte, ist die Tatsache, dass Eric dann auch noch mitsingt. Und zwar verdammt gut. Fassungslos sitze ich vor ihm und muss mich zusammenreißen, um nicht in Tränen auszubrechen, denn es passt so perfekt zu dem, was sie gerade zwischen uns abgespielt hat.
Words like violence
Break the silence
Come crashing in
Into my little world
…
19.
„Ich finde es immer noch nicht gut. Du solltest nicht alleine sein. So etwas ist nicht gesund.“
Eric sitzt im Smoking auf dem Bett unseres Zimmers im Schloss und beobachtet mit strengem Blick, wie ich mich anziehe. Wir führen diese Diskussion schon seit Tagen.
„Eric!“, sage ich ernst und versuche, nur in Unterwäsche und mit Lockenwicklern auf dem Kopf, einschüchternd zu wirken. „Ich habe seit 15 Jahren keine Weihnachten mehr gefeiert und ich werde es auch dieses Jahr nicht tun.“
Thorsten und David fliegen morgen, am Heiligabend, in die Flitterwochen. Vorher werden wir noch zusammen zum Friedhof fahren und dann werde ich sie gleich am Flughafen absetzen. Der Todestag meiner Eltern ist morgen. Wir haben seitdem nicht mehr Weihnachten gefeiert, weil es uns einfach vergangen ist. Ich plane auch nicht, das dieses Jahr zu ändern.
„Du bist so verdammt stur“, grummelt Eric vor sich hin. Er packt mich am Arm und zieht mich rittlings auf seinen Schoß. „And so hot in your stockings.“ Seine
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