Eine zweite Chance für den ersten Eindruck (German Edition)
kommen.
Kleine Schritte auf dem Flur bestätigen meine Vermutung. Lucy ist aufgeregt und entsprechend früh wach. Vorsichtig öffnet sie die Schlafzimmertür und strahlt mich an, als sie sieht, dass ich schon wach bin. Sie will gerade laut quietschend aufs Bett springen, doch ich lege einen Finger an meine Lippen und zeige auf Nina. Neugierig trippelt sie an die andere Bettseite und schaut ihr erstaunt beim Schlafen zu.
„Why is Nina in your bed, daddy?“, brüllflüstert sie. Es ist zu niedlich, wenn sie versucht, leise zu sein.
„Weil ich sie gestern noch zu uns geholt habe, damit sie bei uns Weihnachten feiern kann. Sonst wäre sie ganz alleine gewesen.“ Es fällt mir verdammt schwer, aber im Moment spreche ich fast nur Deutsch mit Lucy. Sonst kommt sie hier nie klar.
Sie läuft wieder auf meine Seite und denkt für einen Augenblick über den Sinn meiner Worte nach.
„That would be sad. Have you told Santa where she is? I don’t want her to miss her gifts”, sagt sie schließlich. Das liebe ich besonders an meinem Kind. Sie ist extrem einfühlsam für ihre vier Jahre und hat damit so große Ähnlichkeit mit ihrer Mutter. Ich habe keine Ahnung, wie ich es geschafft habe, sie zu dem wunderbaren kleinen Menschen zu machen, der sie heute ist. Vor allem, wie ich das alles ohne Jasmin geschafft habe.
„Ich bin mir sicher, dass Santa weiß, wo Nina ist. Komm, wir gehen in die Küche und trinken einen Saft. Nina kann noch etwas schlafen.“
„But, daddy, we have to go over to granny and gramps. Santa has left my gifts there, because of the large Christmas tree”, verkündet sie mir mit quengeliger Stimme. Ich steige schnell aus dem Bett und trage sie aus dem Schlafzimmer, damit sie Nina nicht weckt.
„Wir gehen gleich rüber, Princess. Granny und Gramps schlafen bestimmt noch.“
„That doesn’t matter. You have a key“, meckert sie jetzt lautstark auf meinem Arm. Ich setze sie vor der Küchentür ab und schiebe sie auf einen Stuhl.
„Ja, ich habe einen Schlüssel. Aber der ist nur für Notfälle. Granny und Gramps gehen auch nicht ungefragt in unsere Wohnung.“
Lucy sitzt kopfschüttelnd am Tisch und nimmt von mir einen Becher Saft entgegen. „Adults are so complicated“, murmelt sie vor sich hin.
Ich will mich gerade an der Kaffeemaschine zu schaffen machen, da hält Lucy mich an der Hose fest und deutet mir, mich zu ihr herunterzubeugen, damit sie mir etwas ins Ohr flüstern kann. „Are you in love with Miss Nina?“, fragt sie flüsternd. Im selben Moment höre ich natürlich Ninas Schritte auf der Treppe, weswegen ich mich mit der Antwort beeilen muss.
„I love her, princess. But for now it’s a secret between you and me. Okay?” Lucy nickt eifrig, ganz aus dem Häuschen ein Geheimnis mit mir teilen zu können. Ich hätte sie nicht belügen können, aber ich möchte auch nicht, dass Nina es zuerst aus Lucys Mund hört.
„Hey darlin’“, begrüße ich Nina, die gerade verschlafen um die Ecke schlurft. Als sie Lucy am Küchentisch sieht, hellt sich ihr Gesicht gleich auf und sie strafft die Schultern. Das rechne ich hier hoch an. Ich weiß, dass sie kein Morgenmensch ist, aber dennoch reißt sie sich wegen Lucy zusammen. Ich streiche ihr kurz über die Schulter, obwohl ich sie lieber küssen würde, und gebe ihr auch ein Glas Saft.
„Guten Morgen, ihr beiden. Ihr seid aber früh wach. Bist du schon aufgeregt?“, fragt sie an Lucy gewandt und wuschelt ihr durch die Haare.
„Ja, ich bin. Does … Weiß Santa where you are? I don’t want … du brauchst doch auch Geschenke.“
Nina schenkt ihr ein herzliches Lächeln und muss es sich eindeutig verkneifen, nicht laut loszulachen.
„Ich bin mir sicher, Santa weiß genau, wo ich bin. Der weiß doch alles. Aber in meinem Alter bekommt man keine Geschenke mehr. Das ist den Kindern vorbehalten.“
Da würde ich sie jetzt gerne korrigieren, doch das hebe ich mir für später auf.
„Oh, daddy!“, ruft Lucy hinter mir. „I forgot the cookies for Santa. He won’t leave my presents without cookies. Oh no.” Sie ist den Tränen nahe. Bevor ich etwas tun kann, um das Drama abzuwenden, eilt Nina mir zur Hilfe.
„Ich habe gestern Abend mit deiner Granny gesprochen. Sie hat die Cookies und ein Glas Milch für Santa hingestellt. Mach dir also keine Sorgen.“
That’s why I love her. Unter anderem.
Die Bescherung ist ein einziges Chaos, wie jedes Jahr seit Lucy auf der Welt ist. Die sitzt in einem Berg von Geschenken und
Weitere Kostenlose Bücher