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Eine zweite Chance

Eine zweite Chance

Titel: Eine zweite Chance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Alvtegen
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Anna-Karin waren die Spiele der Kindheit vorüber, und Helena war in diesem Sommer ziellos umhergeirrt, in der Trauer um das, was sie verloren hatte. Sie war zu den Orten gegangen, wo sie früher immer gespielt hatten, und sich selbst mit den Worten gequält: Nie wieder. Da sie das Einzige im Leben, was ihr vorhersehbar erschienen war, verloren hatte, hatte sie sich zeitweise sogar nach Hause gesehnt. Aus der Ferne hatte sie ihre Anna-Karin bewundert. In ihren Augen nicht nur schön, sondern ständig umschwärmt von knatternden Mopeds. Ein paarmal war Anna-Karin vorbeigekommen und hatte in Helenas Zimmer heimlich am Fensterspalt geraucht, während Helena andächtig an den Erfahrungen teilhaben durfte, von denen sie nur in »Novellen meines Lebens« gelesen hatte. Im folgenden Sommer hatten die Mopeds den Kampf um Anna-Karin aufgegeben und waren von den Sportwagen der Gegend verdrängt worden, und während Helenas letzten Sommerferien auf dem Hof der Lindgrens hatten sie sich überhaupt nicht gesehen.
    Zweiunddreißig Jahre waren seitdem vergangen, und jetzt stand sie am selben Küchenfenster und sah, dass Anna-Karin sich ihrem Haus näherte, mittlerweile eine leicht übergewichtige Frau, die ihre ergrauten Haare mit Schwarzkopfs Brillance Kastanie verdeckte. Seit der Kindheit hatten sie sich erst wieder an jenem Tag gesehen, an dem sie und Martin eingezogen waren. Anna-Karin hatte sich vorstellen müssen, bevor Helena begriff, dass sie es war. Sie erinnerte sich an Martins Blick. Ist das die Anna-Karin, von der du erzählt hast, die so schön und unerreichbar war?
    Helena hatte Zeit gebraucht, um das neue Bild aufzunehmen und ihr wieder Vertrauen zu schenken. Anna-Karin hatte sich zunächst abwartend verhalten, sie aus der Ferne beobachtet, war gelegentlich vorbeigekommen, um sich nach ihren Hotelplänen zu erkundigen, die, wie sie bald verstand, nicht allen in der Gegend willkommen waren. Stockholmer zu sein, wurde eher als Manko betrachtet. Martin hatte mehr darunter gelitten, ein Außenseiter zu sein, als sie selbst. Einfach so von Fjollträsk zu kommen und im Hof der Lindgrens ein Hotel zu eröffnen. Für Helena war es leichter gewesen, akzeptiert zu werden, sie war ja immerhin als Kind dort gewesen und hatte sicher etwas mitgebracht, das vernünftig war, aber das Hotel war lange mit misstrauischen Blicken beäugt worden. Monatelang hatten sie ihr Bestes getan, um die Menschen in ihrer Umgebung davon zu überzeugen, dass sie sich nicht für etwas Besonderes hielten. Schließlich hatte man sie akzeptiert.
    Aber richtige Norrländer konnten sie natürlich nicht werden.
    Vorsichtig hatten sie und Anna-Karin sich einander angenähert. Nach Berührungspunkten getastet, auf die sie sich beide verstanden, aber Unterschiede, die überbrückt werden mussten, gab es viele. Ihre beiden Lebenswege waren so unterschiedlich verlaufen. Während der vergangenen Jahre war Helena rastlos herumgeeilt, hatte das Gymnasium besucht, war als Au-pair in Frankreich gewesen, hatte mehrere Jahre im Ausland verbracht und war dann nach Hause zurückgekehrt, um sich zur Diplomkauffrau auszubilden. Sie hatte Karriere gemacht und konnte schließlich einen Lebenslauf vorweisen, der bewirkte, dass es Angebote hagelte. Anna-Karin dagegen war in ihrem Heimatort geblieben und hatte mit achtzehn ihr erstes Kind bekommen. Dann war man ja festgelegt, wie sie es ausdrückte. Zwei Scheidungen hatte sie bereits hinter sich, und danach standen Männer bei ihr nicht mehr besonders hoch im Kurs, auch wenn sie in regelmäßigen Abständen tanzen ging. Ihre Freundschaft hatte sich intensiviert, seit Martin nach Stockholm zurückgekehrt war. Mit dem Thema Scheidung und treulose Männer hatten sie einen neuen Anknüpfungspunkt gefunden, und ein neues Zusammengehörigkeitsgefühl war entstanden. Denn mit Anna-Karin war es, wie es war. Bei Misserfolg war sie eine besonders gute Stütze, was auch daran lag, dass ihre Neigung, Probleme zu wälzen, weit größer war als ihre Fähigkeit, sich an den guten Dingen im Leben zu freuen.
    Die Küchentür wurde geöffnet, und Helena hörte, wie sie die Diele betrat.
    »Hallo!«
    »Hallo, komm herein.« Helena nahm einen Becher aus dem Schrank. »Es gibt frisch gebrühten Kaffee.« Anna-Karin stand an der Tür und zog sich die Lederstiefel aus. Immer mit einem kleinen Absatz, bei jedem Wetter, und oft braun von Lehm. Sie glitt in die Arbeitspantoffeln, die in Helenas Flur standen, und betrat die Küche. »Es taut.«
    »Ist

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