Eine zweite Chance
verlegen.«
Sie schaute auf den eingeschweißten Stapel Escheparkett. Martin und sie hatten es zusammen ausgewählt, obwohl sie eigentlich Walnuss vorgezogen hätte. »Schaffst du das denn?«
Er warf ihr einen unsicheren Blick zu, wie um zu sehen, ob sie scherzte. »Wie, was meinst du?«
»Den Boden zu verlegen?«
»Ja, ich glaube schon. In dem Paket liegt eine Anleitung, und lesen kann ich ja.«
»Gut.«
Sie erwiderte sein Lächeln nicht. Stattdessen sammelte sie ein paar Holzleisten zusammen, die die Schreiner zurückgelassen hatten. Es war ein gutes Gefühl, die Distanz offen zu zeigen. Sie war die Chefin, und er war angestellt, was er darüber hinaus zu sehen gemeint hatte, war nur seine eigene Einbildung. Nach einer Runde durch das Zimmer, während der sie seine Arbeit kontrolliert hatte, kehrte sie in den Gang zurück.
»Hör mal, Helena.«
Sie wollte weitergehen, musste aber stehen bleiben. Es gab eine Andeutung in seiner Stimme, von der sie nicht wusste, wie sie sich zu ihr zu verhalten hatte. Jetzt sollte offenbar das geklärt werden, was eigentlich nicht einmal etwas gewesen war.
»Ich habe Verner draußen auf dem Acker getroffen.«
Die Worte fühlten sich an wie eine Rettung. Darauf konnte sie sachlich reagieren, ohne dass etwas erklärt werden musste. Sie ging zurück und stellte sich in die Tür. Lächelte ein wenig, um sich für ein neutrales Gespräch offen zu halten. »So, was hat er denn gesagt?«
»Tatsächlich eine ganze Menge. Jetzt weiß ich etwas mehr über ihn. Er erzählte eine völlig phantastische Geschichte. Er ist Maler, und wie sich zeigte, ein unglaublich guter. Ich habe ihn mitten auf dem Acker entdeckt, wo er stand und malte.«
Anders nahm sich viel Zeit, um Verners Geschichte zu erzählen. Je länger er sprach, desto besänftigter wurde sie. Da war es wieder, das zwanglose Beisammensein, das sie schon verloren geglaubt hatte. Sie musste sich eingestehen, dass es ihr wichtig geworden war. In nur kurzer Zeit war es ihm gelungen, einen Platz in ihrem Leben einzunehmen. Vielleicht vor allem, weil einer frei war.
Früher hatte sie so einen großen Bekanntenkreis gehabt, wie hatte sie es da schaffen können, so einsam zu werden?
»Übrigens, ich soll dir einen Gruß von ihm ausrichten.«
»Danke.«
»Nein, also er … er wollte, dass du im Laufe des Tages vorbeikommst.«
»Aha, warum denn?«
Anders drehte sich um und fing wieder an zu streichen, ohne den Pinsel zuvor in die Farbe zu tunken. Sie hatte das Gefühl, er zögere mit seiner Antwort. Und das machte sie neugierig. »Hat er gesagt, was er wollte?«
»Ich weiß nicht recht, was ich sagen soll. Ja, das hat er eigentlich, aber es ist besser, wenn du selbst mit ihm sprichst.«
»Was hat er denn gesagt?«
»Ach, es war nur komisch. Vielleicht ist er doch nicht so ganz richtig im Kopf.«
»Erzähl mir, was er gesagt hat.«
Der Pinsel stockte am Rahmen, und sie schaffte es noch zu denken, dass ein hässlicher Abdruck zurückbleiben würde. Dann drehte er sich um. »Okay, du musst es nehmen, wie du meinst. Er hat was davon gesagt, dass es Grund gibt, sich um Emelie Sorgen zu machen, etwas davon, dass sie Hilfe bräuchte.«
Erst erreichten die Worte sie nicht. Dann kam die Wut. »Was zum Teufel hat er damit gemeint?«
Seine Hände breiteten sich in der Luft aus. »Ich habe keine Ahnung, es scheint völlig unsinnig, aber ich gebe nur wieder, was er gesagt hat.«
»Was hat er denn gesagt?«
»Ungefähr das, was ich gerade gesagt habe. Ich weiß es nicht mehr wörtlich.«
Helenas Gedanken rasten in alle Richtungen. Nirgends gab es eine vernünftige Erklärung. Wie konnte Verner behaupten zu wissen, wie es Emelie ging? Er kannte sie nicht. Die Behauptung, Emelie bräuchte Hilfe, war nichts weiter als eine Beleidigung. »Was zum Teufel sollte er davon wissen?«
»Keine Ahnung, er sagte, er hätte schon gestern etwas sagen sollen, aber ihn hätte der Mut verlassen.«
Gestern? Was war gestern passiert? Während der letzten Tage war so vieles geschehen. Aber dann erinnerte sie sich plötzlich an Verner in der Küche, Emelies flehenden Blick, als er ihre Hand gehalten hatte. Schon da hatte Helena gespürt, dass etwas nicht stimmte. Hatte Emelie Verner schon vorher getroffen? War es Angst, die sie in ihrem Gesicht gesehen hatte? Ein Schreckensszenario fuhr durch ihre Gedanken.
Der Außenseiter Verner.
War das der Grund, warum Emelie so verändert war? Weil etwas geschehen war, wovon Helena nichts wusste? Sie bekam
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