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Einem Tag in Paris

Einem Tag in Paris

Titel: Einem Tag in Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Sussman
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dort.
    »Une table pour trois, monsieur?«, fragt der Kellner. Jeremy blickt überrascht auf. Der junge Mann scheint überaus erfreut über den Anblick dieser beiden jungen Frauen an Jeremys Seite.
    »Oui. S’il vous plaît.«
    Der Mann führt sie zu einem Tisch am Rand des Innenhofs. Sie befinden sich neben einem Brunnen, und in dem Lärm – dem Rauschen des Wassers, der beschwörerischen Musik und, seltsamerweise, dem Piepsen eines Vogels, der in dem Raum gefangen ist – fühlt sich Jeremy auf einmal klaustrophobisch. Er hätte einen Platz draußen wählen sollen.
    Der Kellner sagt etwas in seinem Schnellfeuer-Französisch, und Jeremy sieht Chantal an, völlig verloren.
    »Nein«, sagt sie zu dem Kellner. »Wir wollen nur etwas trinken.«
    Sie machen es sich auf den Stühlen bequem und verstauen ihre Tüten mit Käse und Obst und Fleisch unter dem Tisch. Jeremy bemerkt, dass das Baguette vom Regen durchweicht ist. Als er aufblickt, sieht er Lindy, die die Augen auf ihn gerichtet hat.
    »Erzähl mir von deinen Abenteuern«, sagt er zu ihr.
    »Na ja«, beginnt sie, aber dann ist der Kellner wieder da und spricht zu schnell, als dass er ihn verstehen könnte. Liegt es an dem arabischen Akzent? Dem vielen Lärm? Eine Pause entsteht. Chantal bestellt Tee. Er tut es ihr gleich. Lindy bestellt eine citron pressé.
    »Spanien? Portugal?«, fordert er sie auf, als der Kellner gegangen ist.
    »Erzähl mir von deinen Französischstunden«, sagt Lindy. »Was lernst du? Französische Konjugationen? Das Imperfekt?«
    Sie sieht zwischen Chantal und ihm hin und her. Ein schelmisches Funkeln liegt in ihren Augen, als ob sie sich über ihn lustig macht.
    »Lindy«, sagt er mit leiser Stimme.
    »Jeremy und ich unterhalten uns über die Dinge, die wir sehen, während wir durch Paris gehen. Ich bringe ihm neue Vokabeln bei. Ich berichtige seine Fehler. Ich ermuntere ihn, zu üben, was er bereits kennt.«
    Chantal ist erstaunlich ruhig, als hätte sie oft mit irrationalen zwanzigjährigen, kahl rasierten Töchtern zu tun. Jeremy beginnt sich zu entspannen.
    »Das muss ja lustig sein«, sagt Lindy, als ob es gar nicht lustig wäre.
    »Deine Mutter hat diese Französischstunden für mich gebucht«, erklärt Jeremy. Er erwähnt nicht, dass es ein Geschenk zum Hochzeitstag war.
    »Wie galant von ihr.«
    Galant, denkt Jeremy. Lindys Französisch verblüfft ihn. Auch sie klingt wie jemand anders, jemand Kultivierteres. Jemand mit einem schneidenden Unterton.
    »Erzähl uns von deinen Reisen«, drängt Jeremy sie.
    »Na ja, hier bin ich«, sagt Lindy. »Alle Wege führen nach Hause.«
    »Aber du bist nicht zu Hause«, sagt Jeremy.
    »Ich bin bei dir«, erwidert Lindy. »Das ist zu Hause.«
    Er streckt eine Hand aus und legt sie auf ihre. Sie zuckt zusammen, aber sie nimmt ihre Hand nicht weg. Er sieht, wie sie rasch zu Chantal und wieder zurückschaut.
    Der Kellner kommt und stellt ihnen den Tee hin, Limonade vor Lindy. Mit großer Geste schenkt er Chantal Tee ein, überlässt es aber Jeremy, sich selbst zu bedienen.
    »Hast du deine Mutter heute Morgen gesehen?«, fragt Jeremy.
    Dana hat noch geschlafen, als er zu seiner Französischstunde aufgebrochen ist. Ihre Dreharbeiten beginnen heute erst am späten Nachmittag – sie drehen Abendszenen auf der Pont des Arts. Er hat versprochen, heute Abend vorbeizukommen und zuzusehen, etwas, das er nicht oft tut. Aber morgen ist ihr Hochzeitstag, und er muss nach ihrem Streit gestern Abend die Wogen ein bisschen glätten. Bevor Lindy anrief, um zu sagen, dass sie mitten in der Nacht ankommen würde, hatten sie gedacht, dass sie mit dem Zug nach Chantilly fahren und das Schloss besichtigen könnten. Aber jetzt will Dana, dass sie in Paris bleiben, nur sie drei, und durch die Stadt streifen. »Ich hatte noch gar keine Gelegenheit, durch die Straßen von Paris zu schlendern«, hatte sie gestern Abend gesagt. »Du bist derjenige, der den ganzen Spaß hat.«
    »Mom hat noch geschlafen«, sagt Lindy. »Meine Mutter ist Schauspielerin«, sagt sie zu Chantal.
    »Das habe ich gehört«, sagt Chantal.
    »Du hast sie erwähnt?«, fragt Lindy Jeremy.
    »Chantal hat mir die Wörter für Regisseur und Kameramann und Cutter beigebracht«, sagt Jeremy zu ihr. »Offenbar kannte ich mehr Wörter über Essen als über Filme.«
    »Mom könnte dir diese Wörter beibringen.«
    Jeremy sieht auf die Teetasse, die vor ihm steht. Er hat so ein beklommenes Gefühl, dass seine Französischstunde zu Ende ist. Er und Chantal

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