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Einem Tag in Paris

Einem Tag in Paris

Titel: Einem Tag in Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Sussman
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denen er früher zusammen gewesen war. Und dann war da noch etwas Neues: echte Liebe, Verantwortung, sich um jemanden kümmern. Vaterschaft – auch das veränderte ihn und sorgte dafür, dass er nichts anderes wollte als das, was er hatte.
    »Was ist das?«, fragt Jeremy Chantal, seine eigenen Gedanken unterbrechend. Er wird wieder der gute Schüler sein, der auf irgendein rattenartiges Etwas zeigt, das an den Fersen eines anmutigen Hirschs knabbert.
    Chantal macht ihn mit Vokabeln bekannt, die er niemals benutzen wird. Er denkt an seine Hündin zu Hause, um die sich ein Hundesitter kümmert, der lange Spaziergänge in den Hügeln versprochen hat. Er braucht selbst einen langen Spaziergang in den Hügeln. Er ist schon zu lange in einer Großstadt. Diese Tiere rufen ihm in Erinnerung, dass er Luft, Raum, Bewegung braucht. Alles an diesem wunderschönen Museum ist falsch. Die Tiere sind darin gefangen.
    »Gehen wir nach draußen«, sagt Chantal.
    Jeremy wirft einen Blick auf sie. Kann sie ihn so leicht durchschauen?
    »Die Gärten sind wunderschön«, sagt sie, als müsste er noch deutlicher aufgefordert werden.
    Sie hat recht, und Jeremy atmet leichter. Sobald sie durch das Portal gegangen sind, erstreckt sich der Jardin des Plantes vor ihnen. Sie gehen durch Gärten, die verschiedene Ökosysteme darstellen, während Chantal die französischen Namen für verschiedene Blumen, Bäume und wilde Farne aufzählt. Auf einem der mittleren Wege in dem weitläufigen Park folgen die Kinder ihren Lehrern in einer ordentlichen Zweierreihe, wie Noahs Tiere. Die Luft ist schwer von waldigen Gerüchen, und Jeremy muss an den Abend nach dem Floßausflug in Costa Rica denken. Sie hatten in dem Dschungel am Ufer des Flusses gezeltet, und die Flussführer hatten Fisch, in Bananenblätter gewickelt, über einem offenen Lagerfeuer gebraten. Lindy sagte zu Jeremy, sie hätte sich in den einen Flussführer verknallt, einen drahtigen, dunkelhäutigen jungen Mann, der ihnen beigebracht hatte, das Boot durch die Stromschnellen zu manövrieren. »Sag Mom nicht, dass ich ihn mag«, hatte sie gesagt. »Werde ich nicht«, sagte er zu ihr. Es war das erste Mal, dass sie ihm ein Geheimnis anvertraut hatte. Er behielt es fest für sich, ein außergewöhnliches Geschenk.
    »Ich will irgendwann einmal auf dem Land leben«, sagt Chantal.
    Jeremy ist erstaunt. Sie hat ihm so wenig von ihrem Leben erzählt.
    »Warum ziehen Sie dann nicht um?«, fragt er.
    »Mein Freund liebt Paris«, sagt sie. »Obwohl er mir heute Morgen gesagt hat, dass er mit dem Gedanken spielt, nach London zu ziehen.«
    »Und Sie?« Er versucht den eifersüchtigen Stich zu ignorieren. Natürlich hat sie einen Freund. Und was spielt es auch für eine Rolle?
    »Ich verbringe viel Zeit in diesem Garten. Das ist mein Lieblingsplatz in der Stadt.«
    Jeremy sieht sich mit anderen Augen um. Er will wissen, warum sie ausgerechnet diesen Garten liebt, und doch wird er nicht danach fragen. Er denkt, dass er Chantal kennenlernen könnte, wenn er diesen Garten kennt.
    »Werden Sie mit diesem Freund nach London ziehen?«, fragt Jeremy.
    »Ich habe ihn heute Morgen eine andere Frau küssen sehen«, sagt Chantal. »Vielleicht habe ich einen besseren Freund verdient.«
    Der Himmel verdüstert sich, dann blitzt es weiß auf. Ein Donnergrollen folgt gleich darauf.
    »Gehen wir nach drinnen«, sagt Chantal.
    »Nein. Wir werden uns unter die Bäume ducken«, sagt Jeremy zu ihr. »Sehen wir uns das Gewitter an.«
    Sie sieht ihn verblüfft an, dann hellt sich ihre Miene auf. Sie können das schrille Kreischen der Kinder hören, die zurück in den nächstgelegenen Ausstellungsraum stürzen, als es zu regnen beginnt.
    Jeremy legt eine Hand um Chantals Oberarm und führt sie tiefer zwischen die Bäume. Sie steigen über einen niedrigen Zaun – auf einem Schild steht INTERDIT ! – und stellen sich unter den breiten Baldachin der Bäume. Der Regen trommelt wie scharfe kleine Stiche auf Jeremys Nacken ein. Und dann sind sie in Sicherheit, unter dem dichten Dach aus Blättern und Zweigen über ihnen, das sie vor dem Wolkenbruch rings um sie schützt.
    Es ist wild. Der Himmel ist fast schwarz, als wäre der Tag zur Nacht geworden. Donnerschläge krachen über den Himmel, einer nach dem anderen, unaufhörlich. Und dazu der Regen! Er prasselt nur so herunter, in Strömen, peitscht laut auf die Gehwege, den Rasen, den Baldachin der Bäume über ihnen.
    Chantal presst sich an Jeremys Seite, als hätte sie

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