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Einem Tag mit dir

Einem Tag mit dir

Titel: Einem Tag mit dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Jio
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tasche.
    Ich sah sie an. Ihre Wangen waren leicht rosig, glühten nicht wie meine. Ihr Haar, lockiger und wilder denn je, hatte sie verführerisch an der Seite hochgesteckt.
    Die Tropen bekamen ihr gut.
    »Fertig«, sagte ich und folgte ihr nach draußen.
    Lance fuhr viel zu schnell. Aber Kitty, die neben ihm saß, schien das nichts auszumachen, im Gegenteil, sie schaute begeistert in die Landschaft, während Stella, Elliot und ich uns auf der Rückbank drängten. Meine Beine schwitzten auf dem heißen, mit Segeltuch bespannten Sitz, und ich musste meinen Hut festhalten, damit er mir nicht wegflog. Die von Schlaglöchern übersäte Straße war nichts für ängstliche Fahrer. Wir wirbelten so viel Staub auf, dass ich wünschte, ich hätte mir ein Halstuch mitgenommen.
    »Zuerst ins Stadtzentrum«, rief Lance wie ein eifriger Fremdenführer, »und dann an den Strand.«
    Kitty stieß einen Jubelruf aus, und Stella schaute Elliot an, der die Straße vor uns im Blick behielt. »Fahren Sie oft in die Stadt?«, fragte sie ihn kokett.
    Er antwortete nicht.
    »Fahren Sie oft in die Stadt?« , wiederholte Stella lauter, um das Motorengeräusch zu übertönen.
    Elliot sah uns beide an, erst verblüfft, dann verwirrt, als wüsste er nicht, wer von uns die Frage gestellt hatte.
    »Nein, nicht oft«, sagte er knapp und richtete seinen Blick wieder auf die Straße.
    Stella schnaubte und verschränkte die Arme vor der Brust. In der Luft lagen der Geruch nach regenfeuchter Erde und ein süßlicher Blumenduft, der mir fremd war.
    »Sehen Sie mal da!«, rief Lance und zeigte auf ein eingezäuntes Grundstück zu unserer Linken. Er verlangsamte das Tempo, und ich war froh, meinen Hut einen Moment lang nicht festhalten zu müssen, denn mir wurde allmählich der Arm lahm. »Das ist eine Vanilleplantage. Fast die gesamte Vanille auf der Welt kommt von dieser Insel hier.«
    Ich war mir nicht sicher, ob das stimmte oder ob Lance es nur gesagt hatte, um Kitty zu beeindrucken, aber eine echte Vanilleplantage zu sehen war unglaublich aufre gend. Ich musste an Maxine denken. War sie glücklich in Windermere, war sie es zufrieden, meine Eltern Tag für Tag zu bedienen und selten mehr zu hören als »Danke, Maxine« oder »Das wäre dann alles, Maxine«?
    »Die Plantage gehört einem Amerikaner«, sagte Lance. »Er hat eine Frau von der Insel geheiratet.«
    Stellas Augen weiteten sich. »Ich dachte, hier lebten nur Kannibalen!«
    Elliot warf mir einen vielsagenden Blick zu, dann versank er wieder in seinen Gedanken.
    Wir fuhren weiter. Unter den Palmen rechts und links der Straße duckten sich aus groben Brettern zusammengezimmerte Hütten. Hier und da sahen wir vor den Hütten ein Huhn im Sand picken oder ein nacktes Kind herumlaufen, aber keinen einzigen Erwachsenen. Ich war neugierig auf die Eingeborenen, von denen Schwester Hildebrand uns erzählt hatte.
    Wir folgten der Küstenstraße im Norden der Insel und kamen an einer kleinen Bucht vorbei. Etwas weiter draußen in dem türkisfarbenen Wasser lag ein Boot vor Anker. Es war ein Anblick wie eine Illustration aus Robinson Crusoe . Kurz darauf hielt Lance am Straßenrand. »Da wären wir«, verkündete er.
    Ich sprang auf die staubige Straße und betrachtete das bunte Treiben vor mir. Nie hätte man gedacht, dass nur wenige Meilen weit entfernt ein blutiger Krieg tobte. Dort standen Reihen um Reihen von Tischen, beladen mit exotischen Früchten, mit Gemüse, handgearbeiteten Halsketten, Zigaretten und Cola-Flaschen. Die spärlich bekleideten Verkäufer mit dunkler Haut und geheimnisvollen Augen saßen schläfrig oder gelangweilt hinter den Ständen, während Soldaten zwischen den Tischen umher liefen und ihren schwer verdienten Sold für allen möglichen Tand ausgaben.
    »Seht mal da!«, rief Stella und zeigte auf eine junge Einheimische, die auf uns zukam, als würde sie uns kennen. Sie war barbusig und hatte das Haar zu einem dicken Zopf geflochten, der zwischen ihren Brüsten ruhte. Um die Hüften hatte sie lose ein grünes Tuch gebunden, in der Hand hielt sie eine Tasche. Mir fiel die Blüte hinter ihrem linken Ohr auf. Ich versuchte, nicht hinzusehen, aber ihre Brüste mit den dunklen Brustwarzen zogen meinen Blick magisch an. Auf Stella, Kitty, Elliot und vor allem auf Lance übte die Frau dieselbe Faszination aus.
    »Mr. Lance«, sagte die Frau mit einem starken Akzent und stellte ihre Tasche ab. Ihre Stimme klang weich und warm. Sie war vielleicht achtzehn, oder auch jünger. Ihre

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