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Einem Tag mit dir

Einem Tag mit dir

Titel: Einem Tag mit dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Jio
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sagte sie. »Es ist mir egal, wen du liebst. Hauptsache, du bist glücklich.«
    Ich betrachtete den Mond und schaute noch einmal zurück zum Strand, wo die Hütte stand. »Ja«, sagte ich. »Ich bin noch nie im Leben so glücklich gewesen.«
    Die holprige Fahrt zurück störte keinen von uns. Nicht Stella, die den Kopf in Wills Schoß gelegt hatte, nicht Mary, die mit Lou ins Gespräch vertieft war, nicht Kitty, die ihren Gedanken nachhing, und erst recht nicht mich, der das Herz vor Liebe überquoll. Doch gleichzeitig war mir das Herz auch schwer, denn ich würde mich entscheiden müssen. Und zwar bald, fürchtete ich.

9
    H abt ihr schon gehört?«, fragte Liz beim Frühstück. »Die Männer müssen zu einem Einsatz. Auf einer Insel südlich von hier finden schwere Kämpfe statt. Die Lage ist ernst.«
    Mary und ich warfen uns Blicke zu. Ich sah ihr an, dass sie sich um Lou sorgte, und fragte mich, ob sie mir auch meine Sorge um Westry ansah.
    »Colonel Donahue und seine Truppe brechen noch heute Abend auf«, sagte Kitty monoton, als läse sie aus einem Kriegsbericht vor.
    »Kann man irgendwie in Erfahrung bringen, wer von den Männern mitmuss?«, fragte ich und hoffte, dass man mir meine Panik nicht anmerkte.
    »Ja«, sagte Stella traurig und zog ein Taschentuch heraus. »Da draußen hängt eine Liste mit den Namen.« Sie zeigte auf die Anschlagtafel im Flur vor der Kantine. »Will steht drauf.«
    »Du Arme«, sagte Liz mitfühlend zu Stella.
    »Wollen wir nachsehen gehen?«, fragte ich Mary.
    Sie nickte, und wir gingen bedrückt nach draußen. Da stand Westrys Name. In der Mitte der Liste, schwarz auf weiß. Westry Green. Weiter unten entdeckte ich Lous Namen. Mary zog scharf die Luft ein, dann fielen wir einander in die Arme.
    »Wir müssen zu ihnen«, sagte Mary. »Wir müssen uns von ihnen verabschieden, bevor …«
    »Wir dürfen nicht gleich an das Schlimmste denken«, entgegnete ich. »Wir müssen zuversichtlich sein. Das brauchen sie jetzt.«
    »Anne«, murmelte Mary. »Ich könnte es nicht ertragen, ihn zu verlieren.«
    »So darfst du nicht reden«, sagte ich und tätschelte ihr den Arm. »Das bringt Unglück.«
    Ich hatte bereits die Frühschicht im Lazarett gearbeitet, und daher hatte ich kein schlechtes Gewissen, als ich nach dem Frühstück kurz zu den Männerunterkünften hinüberlief. Ich schaute zu dem Fenster hoch, hinter dem Westry untergebracht war. Das Zimmer wirkte leer, zumindest soweit ich das von der Bank aus sehen konnte, auf die ich geklettert war – ein ordentlich gemachtes Bett und ein leerer Kleiderhaken neben der Tür. War er schon aufgebrochen? Liz hatte uns erzählt, dass ein Bataillon bereits in Marsch gesetzt worden war. Gehörte Westry etwa dazu?
    Ich verabschiedete mich von Mary und eilte zum Strand. Sobald ich außer Sichtweite war, begann ich zu laufen. Vielleicht wartete er in der Hütte auf mich. Wenn ich schnell genug rannte, würde ich ihn vielleicht noch sehen, ehe er fortmusste. Meine Schuhe füllten sich mit Sand und machten mir die Füße so schwer wie noch nie. Versuchte der Sand, mich daran zu hindern, Westry noch einmal zu sehen? Ich stolperte über ein Stück Treibholz und rieb mir das schmerzende Knie, bevor ich mich aufrappelte und weiterrannte.
    Ich kämpfte mich durch das Dickicht bis zur Hütte, die von der Morgensonne beschienen wurde. Ich griff nach dem Türknauf und betete, Westry möge in der Hütte sein. Aber die Tür war abgeschlossen. Westry war nicht da. Ich war zu spät gekommen.
    Ich nahm den Schlüssel aus dem Versteck, ging in die Hütte und ließ mich enttäuscht auf den Stuhl am Schreibtisch sinken. Das kleine Zimmer übte sofort eine tröstliche Wirkung auf mich aus. Ich spürte Westrys Gegenwart, genau wie er es mir prophezeit hatte. Ich versuchte mich an seine Worte zu erinnern und fand sie in meinem Herzen: »Wenn du das nächste Mal das Gefühl hast, ich sei unerreichbar, komm hierher in die Hütte, dann wirst meine Liebe spüren.« Ja, ich spürte seine Liebe. Sie hüllte mich ein.
    Ich hob die Bodendiele an, und mein Herz machte einen Satz, als ich den Brief entdeckte.
    Meine geliebte Cleo!
    Ich muss jetzt aufbrechen, mein Liebling. Wir werden nach Guadalcanal verlegt, wo es »eine große Schlacht« geben wird, wie der Colonel sich ausdrückt. Wir wissen nicht, was uns dort erwartet. Schließlich hocken wir schon ziemlich lange auf dieser Insel und lassen es uns gut gehen, sodass wir beinahe schon dachten, wir wären hier im Urlaub. Es

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