Einem Tag mit dir
Krankensaals beschäftigt war.
»Will ist da drin«, flüsterte ich mit einer Kopfbewegung zum OP. »Er ist schwer verwundet. Wo ist Stella?«
Sie zeigte zu einem Bett, wo Stella Schwester Hildebrand dabei half, eine Beinschiene anzulegen. Der Soldat stöhnte, während die beiden sein Knie einrenkten. »Wir müssen es ihr sagen.«
»Nein«, entgegnete ich. »Wir brauchen sie. Im Moment brauchen wir jede Krankenschwester auf der Insel. Der Lieutenant hat gesagt, es kommen noch mehr Verwundete. Vielleicht ist Lou dabei. Vielleicht Westry. Wir müssen weiterarbeiten. Zeit zum Trauern können wir uns jetzt nicht leisten.«
Mary nickte ernst. »Ich werde versuchen, sie vom OP fernzuhalten.«
»Danke«, sagte ich. »Ich behalte ihn im Auge. Sollte sich etwas ändern, hole ich Stella.«
Eine Stunde später wurden dreiundzwanzig verwundete Soldaten eingeliefert, dann noch einmal neun und dann weitere elf. Drei starben. Einige wurden so weit stabilisiert, dass sie transportfähig waren. Sie wurden nach Amerika ausgeflogen, weil wir für ihre Behandlung nicht ausgerüstet waren.
»Wie schrecklich das alles ist«, sagte Liz und wischte sich die Augen mit einem Taschentuch. Die ganze Situation schlug uns allen aufs Gemüt.
»Geht es noch?«, fragte ich sie und tätschelte ihr den Rücken. »Ich kann mit Schwester Hildebrand reden und sie fragen, ob sie dir ein paar Stunden freigibt.«
»Nein, nein«, antwortete sie und glättete ihr Kleid. »Ich schaff das schon.«
Ich schaute zu Kitty hinüber, die einer anderen Schwester half, einen Mann zu versorgen, der gerade gebracht worden war. Offenbar hatte der Mann eine schlimme Kopfverletzung. Mit schnellen, präzisen Bewegungen reinigte Kitty ihm die Wunden an der Stirn. Er zuckte jedes Mal zusammen, wenn sie ihn mit dem Alkoholtupfer berührte. Dann, als sie begann, ihm einen Verband anzulegen, sah ich, wie sie wankte. Irgendetwas stimmte da nicht. Im nächsten Augenblick gaben Kittys Beine unter ihr nach, und genauso wie am Tag unserer Ankunft sank sie zu Boden. Nur dass diesmal nichts ihren Sturz auffing.
Ich lief zu ihr und fächelte ihr Luft zu. »Kitty! Kitty! Wach auf! Du bist in Ohnmacht gefallen!«
Liz reichte mir ein Fläschchen mit Riechsalz, das ich Kitty unter die Nase hielt. Sie öffnete die Augen.
»Tut mir leid«, sagte sie. »Wie peinlich! Hier liegen schwer verletzte Soldaten, und ich kippe einfach aus den Latschen.«
»Du musst dich ausruhen«, sagte ich. »Ich bringe dich auf unser Zimmer. Schwester Hildebrand wird das schon verstehen.«
»Ja«, erwiderte sie. »Aber ich kann allein raufgehen. Du wirst hier gebraucht.«
»Also gut«, sagte ich. »Aber pass auf dich auf.«
Kitty ging, und ich wandte mich wieder meiner Arbeit im Krankensaal zu, den langen Bettenreihen, in denen Männer lagen, die auf Medikamente, auf Verbände oder einfach auf den Tod warteten.
»Wir müssen es ihr sagen«, raunte Mary mir zu. »Der Arzt sagt, er schafft es vielleicht nicht.«
Ich nickte. »Kommst du mit?«
Wir gingen zu Stella, die gerade in einem Schrank nach etwas suchte. »Wieso wird hier nichts wieder aufgefüllt?«, schimpfte sie, als sie sich aufrichtete. »Hat eine von euch in diesem gottverdammten Lazarett irgendwo eine Flasche Jod gesehen?«
»Stella«, sagte Mary. »Bitte, setz dich.«
»Ich soll mich setzen?«, fragte sie argwöhnisch. »Warum denn?«
»Es geht um Will«, sagte ich und drückte sie auf einen Stuhl. »Er ist schwer verwundet.«
Stella schlug sich die Hand vor den Mund. »O nein! Nein, das glaube ich nicht!« Sie schaute erst mich, dann Mary an. »Wo ist er?«
Mary zeigte in Richtung OP. »Dr. Wheeler ist bei ihm, aber sie wissen nicht, ob er durchkommt.«
Stella rannte los, und wir folgten ihr.
»Will!«, rief sie. »Will, ich bin’s!« Sie kniete sich neben die Trage und legte ihm zärtlich eine Hand auf die Brust. »Ich bin’s, Stella.«
Will rührte sich nicht. Sein Atem ging flach. »Doktor, Sie werden ihn doch retten, oder?«, fragte Stella ängstlich. »Sie müssen ihn retten!«
In dem Augenblick öffnete Will die Augen. Seine Lider flatterten kurz, dann fielen sie wieder zu.
»Will!«, schrie Stella. »Will, komm zu mir zurück!«
Er öffnete die Augen und flüsterte matt: »Ich bin hier, Stella. Ich bin noch hier.«
Dr. Wheeler nahm seine Brille ab. »Großer Gott«, sagte er. »Er ist zu sich gekommen. Vielleicht kommt er ja doch noch durch.«
Mit tränenüberströmten Wangen hielt Stella Wills Hand. »Du
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