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Einem Tag mit dir

Einem Tag mit dir

Titel: Einem Tag mit dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Jio
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zurückfuhr, und so eilte ich, so schnell ich konnte, den Weg entlang, der durch den Dschungel zu dem Hügel hinaufführte. Schon nach wenigen Schritten waren meine elfenbeinfarbenen Lacklederpumps völlig verstaubt, aber das war mir egal. Hin und wieder schlug ich nach Moskitos, die sich auf meine Arme setzten. Es war ziemlich dunkel im Schatten der riesigen Bäume, und beinahe hätte ich die grüne Hütte übersehen, denn sie fügte sich in die Umgebung ein, als wäre sie Teil der Natur.
    Ein Fahrrad stand an eine Seitenwand der kleinen Hütte gelehnt, die aus Treibholz grob zusammengezim mert schien. Ein Huhn gackerte plötzlich neben mir, sodass ich zusammenzuckte, als ich gerade an die Tür klopfen wollte. War es naiv hierherzukommen?
    Eine alte Frau erschien in der Tür. Sie trug ihr graues Haar zu einem langen, dünnen Zopf geflochten.
    »Ich möchte Atea besuchen«, sagte ich zaghaft und hielt den Korb mit den Decken hoch.
    Die Frau nickte und murmelte etwas auf Französisch, vielleicht auch auf Tahitianisch. Hinter ihr hörte ich Schritte.
    »Anne!«, rief Atea aus, als sie an der Frau vorbei aus der Tür trat. »Du hier!« Sie sah ganz anders aus als beim letzten Mal, möglicherweise, weil sie ein Kleid anhatte, das ihr viel zu groß war. Es kam mir vor wie ein Modell aus einem amerikanischen Versandkatalog aus dem Jahr 1895. Ich fragte mich, warum sie es trug, wo sie sich doch anscheinend mit lediglich einem Tuch um die Hüften so wohl gefühlt hatte.
    »Ja«, sagte ich. »Ich möchte nicht stören. Ich … ich wollte mich nur vergewissern, dass es dir gut geht. Und ich wollte dir die hier bringen.«
    Atea nahm mir den Korb ab und betrachtete staunend die Decken. »Wie schön! Für mich?«
    »Ja, und für andere, von denen du meinst, dass sie sie gebrauchen können«, erwiderte ich lächelnd. »Wie geht es dir?«
    Sie schien zu zögern. »Komm rein«, sagte sie. »Das ist Tita.«
    Die alte Frau nickte.
    »Freut mich, Sie kennenzulernen, Tita«, sagte ich. »Ich bin Anne.«
    Atea bot mir einen Korbsessel an, und ich setzte mich. Kurz darauf reichte mir Tita eine Henkeltasse mit einem warmen, undefinierbaren Getränk. »Tee«, sagte sie.
    Ich bedankte mich und trank einen Schluck. Das Getränk schmeckte süß und zugleich würzig.
    »Sehr lecker«, sagte ich. »Was ist das?«
    »Kava«, sagte Atea. »Macht ruhig.«
    Ich nickte. Atea hatte recht. Mit jedem Schluck entspannte ich mich ein wenig, aber gleichzeitig wurde mir ein bisschen schwindlig. Die Konturen um mich herum wurden weicher. Schon bald sah der windschiefe Fensterrahmen aus wie neu, und der Lehmboden hatte ein buntes Muster wie ein Orientteppich.
    »Ist sie das?«, wollte Tita von Atea wissen.
    Atea nickte.
    Tita setzte sich auf den Stuhl neben mir. »Du hast das Haus von dem Künstler gefunden?«
    Zuerst war ich verwirrt, doch dann erinnerte ich mich an das, was Atea vor Monaten am Strand zu mir gesagt hatte – und was ich ganz vergessen hatte, Westry zu erzählen. »Ja«, sagte ich.
    Tita warf Atea einen vielsagenden Blick zu. »Die Hütte ist gefährlich«, sagte sie. Sie schlug mich in Bann mit ihrem Blick. »Die Legende sagt, wer in die Hütte geht« – sie unterbrach sich, um nach den richtigen Worten zu suchen – »hat sein Leben lang Unglück.«
    »Ich verstehe nicht, was Sie meinen«, sagte ich und stellte die Tasse auf einem kleinen Tisch ab. Die Hütte schien sich mit Nebel zu füllen. Was mochte wohl in dem Tee sein?
    »In der Hütte passieren schlimme Dinge«, sagte sie.
    Ich schüttelte den Kopf. Nein, das konnte nicht sein. Schöne Dinge passierten in der Hütte. Sie war unser geliebtes Versteck, der Ort, wo ich meine Liebe zu Westry gefunden hatte. Wie konnte sie so etwas sagen?
    »Was denn für schlimme Dinge?«, fragte ich, als ich meine Sprache wiedergefunden hatte.
    »Sie sind zu schlimm, man kann sie nicht aussprechen«, flüsterte sie und warf einen Blick auf ein Kreuz, das an der Wand hing.
    Als ich aufstand, schien der Boden unter meinen Füßen zu schwanken. »Tja«, sagte ich, während ich an der Stuhllehne Halt suchte. »Danke für den Tee. Aber ich muss jetzt los.« Ich schaute Atea an. »Pass auf dich auf. Und falls du Hilfe brauchst, denk dran, was ich dir gesagt habe.«
    Sie nickte und warf Tita einen zweifelnden Blick zu, als ich zur Tür ging.
    »Moment«, sagte ich und drehte mich noch einmal um. »Sie sagten, dass die Hütte einem Künstler gehört hat. Wissen Sie zufällig, wie er hieß?«
    Tita schaute erst

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