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Einem Tag mit dir

Einem Tag mit dir

Titel: Einem Tag mit dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Jio
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zu ihr.
    »Wir werden dich nie vergessen«, sagte Liz.
    Mary wirkte wie ein Schatten ihrer selbst, als sie dort vor dem offenen Flugzeug stand, völlig abgemagert, die Handgelenke immer noch verbunden, denn die Wunden, die sie sich selbst beigebracht hatte und die sie beinahe das Leben gekostet hätten, waren noch nicht verheilt.
    Sie zog ein Taschentuch aus ihrer Handtasche und betupfte sich die geröteten Augen. »Ihr werdet mir alle schrecklich fehlen«, schniefte sie. »Es fällt mir schwer, von hier fortzugehen. Ihr seid meine besten Freundinnen geworden.«
    Ich drückte Marys Hand. »Es ist Zeit für dich, Mary. Fahr nach Hause. Erhol dich.« Ich dachte an den Brief von Edward, der sich in meiner Tasche befand. Ich hatte nicht vorgehabt, ihn ihr so lange vorzuenthalten. War sie jetzt bereit, ihn zu lesen? Es spielte keine Rolle, sagte ich mir. Der Brief gehörte ihr.
    »Tja, das war’s dann wohl«, sagte sie und nahm ihre Reisetasche.
    Die anderen Frauen kämpften mit den Tränen, als Mary sich bereit machte, ins Flugzeug zu steigen.
    »Warte noch«, sagte ich. Mary drehte sich um und schaute mich verwundert an.
    Ich zog den Brief aus der Tasche und drückte ihn ihr in die Hand. »Der ist vor einiger Zeit für dich gekommen«, sagte ich. »Ich hoffe, du verzeihst mir, dass ich ihn dir so lange vorenthalten habe. Ich wollte dir noch weiteren Schmerz ersparen.«
    Marys Augen leuchteten auf, als sie den Absender las. »Mein Gott«, stieß sie hervor.
    »Es tut mir so leid«, sagte ich.
    Mary nahm meine Hand. »Nein«, sagte sie. »Es ist in Ordnung. Ich verstehe dich. Wirklich.«
    »Du wirst mir fehlen«, sagte ich und wünschte, alles wäre anders gekommen – für Mary, für Kitty, für uns alle. »Versprichst du mir, dass du mich in Seattle besuchst, wenn der Krieg vorbei ist?«
    »Ja, ich versprech’s dir«, erwiderte sie.
    Dann waren Mary und der Brief aus unserem Leben verschwunden – vielleicht für immer. Und auf der Insel wurde es noch einsamer.
    Lange Zeit kam es mir so vor, als würde Westry nie wieder zurückkehren. Die Insel fühlte sich ganz anders an ohne ihn, vor allem, nachdem Mary abgereist war und Kitty das Bett hüten musste. Aber eines Morgens Ende Mai, als wir im Lazarett arbeiteten, verkündete der Lautsprecher auf dem zentralen Exerzierplatz der Basis, dass die Männer wieder da waren.
    »Gehen Sie nur«, sagte Schwester Hildebrand zu mir.
    Ohne mich bei ihr zu bedanken, rannte ich nach draußen und blieb erst stehen, als ich die Landebahn erreichte. Die Männer stapften mit schwerem Gepäck und noch schwereren Herzen zu ihren Unterkünften. Ich sah Lance, Colonel Donahue und noch ein paar andere Männer, die ich kannte. Aber wo war Westry? Ich suchte die Gesichter ab. Elliot war vor einer Weile zusammen mit anderen, deren Dienstzeit beendet war, nach Hause geflogen. Wer würde mir etwas über Westry sagen können?
    »Haben Sie Westry gesehen?«, fragte ich einen mir unbekannten Soldaten, der den Kopf hängen ließ.
    »Tut mir leid, Ma’am«, antwortete er. »Ich kenne keinen Westry.«
    Ich nickte. Dann entdeckte ich einen von Westrys Kameraden. Ich ging auf ihn zu. »Ted, wo ist Westry?«, fragte ich ihn. »Haben Sie ihn gesehen?«
    Er schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, seit gestern nicht mehr.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Er war in der vordersten Linie und …«
    Mein Herz raste. »Was sagen Sie da?«
    »Er war nicht mit uns im Flugzeug.«
    »Was bedeutet das?«, schrie ich. »Dass er nicht zurückkommt? Dass Sie ihn einfach dort zurückgelassen haben?«
    »Heute Abend kommt noch ein Flugzeug«, sagte er. »Hoffen wir, dass er mitkommt.«
    Ich nickte, und Ted salutierte. Dann ging er mit den anderen Männern zu den Unterkünften, voller Vorfreude auf eine warme Mahlzeit und ein weiches Bett.
    Ich umklammerte das Medaillon, das ich um den Hals trug, in der Hoffnung, dass Westry, wo auch immer er sein mochte, meine Liebe spürte. Ich legte all meine Kraft in den Wunsch, er möge zurückkommen.
    An dem Abend war es für einen Mai in den Tropen ungewöhnlich kühl. Fröstelnd ging ich den Strand hinunter. In Anbetracht von Kittys Zustand war es eigentlich ziemlich leichtsinnig, mich davonzustehlen. Sie hatte schon seit Tagen leichte Wehen, aber sie hatte mir versichert, es sei noch nichts Ernstes. Trotzdem hatte ich ihr versprochen, höchstens eine Stunde fortzubleiben. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, aber ich brauchte mehr denn je den Trost, den ich in der Hütte fand.
    Ich ging

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