Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Einem Tag mit dir

Einem Tag mit dir

Titel: Einem Tag mit dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Jio
Vom Netzwerk:
habe«, murmelte sie. »Sie ist verflucht.« Sie zeigte nach vorne und ging zum Strand. Ich folgte ihr, ohne zu wissen, was mich dort erwartete.
    »Setz dich«, sagte sie unweit der Stelle, wo Atea gestorben war. Ich war froh, dass das Meer das Blut im Sand weggespült hatte.
    Einige Minuten lang saßen wir schweigend da. Schließlich sagte Tita: »Ich weiß, dass sie tot ist.«
    Unsicher, wie ich darauf reagieren sollte, schaute ich aufs Meer hinaus und lauschte auf das tröstliche Rauschen der Wellen.
    »Ich habe dich gewarnt«, sagte Tita finster. »Dieser Ort ist böse. Und jetzt hat er mir meine Atea genommen. Sie war etwas ganz Besonderes.«
    Vergeblich kämpfte ich gegen die Tränen an. »Ach, Tita«, sagte ich. »Es tut mir so leid.«
    »Schsch«, sagte die alte Frau. »Was geschehen ist, ist geschehen. Jetzt ist es deine Pflicht, für Gerechtigkeit zu sorgen.«
    Was wusste sie? Oder, schlimmer noch, was glaubte sie zu wissen? Hatte sie die Stelle hinter der Hütte entdeckt, wo Westry Atea begraben hatte?
    Verwirrt schaute ich ihr nach, als sie in Richtung Dschungel ging.
    »Tita«, sagte ich. »Warten Sie. Bitte. Sie irren sich, wenn Sie glauben, dass ich, dass wir …«
    »Gerechtigkeit«, sagte sie und drehte sich ein letztes Mal zu mir um. »Nur Gerechtigkeit kann den Fluch brechen.«
    Ich schaute ihr nach, bis sie im Dschungel verschwunden war. Dann ließ ich mich seufzend in den Sand sinken und umklammerte meine Knie mit den Armen, so wie ich es früher getan hatte, wenn ich von meiner Mutter aus geschimpft worden war. Lance war nicht auf der Insel, zumindest im Moment nicht, und schon seit Monaten hatten wir keine japanischen Flugzeuge mehr gesichtet. Warum hatte ich dann das Gefühl, dass das Böse auf der Lauer lag? Ich dachte an das Messer, an dem noch Ateas Blut klebte und das ich ganz in der Nähe vergraben hatte. Nur ich wusste, dass es sich dort befand. Ich konnte es holen und als Beweismittel in Sicherheit bringen. Ich konnte für Gerechtigkeit sorgen, wie Tita es von mir verlangt hatte. Aber ich hatte Westry mein Wort gegeben, die Sache nicht publik zu machen.
    Ich stand auf, ging zur Hütte, schloss die Tür auf und versteckte den Schlüssel wieder im Buch. Drinnen war die Luft heiß und stickig. Ich dachte an das kleine Gemälde und bückte mich, um es unter dem Bett hervorzuziehen. Wer mochten die darauf abgebildeten Personen sein? Waren sie hier in dieser Hütte gewesen? War ihnen hier etwas Schlimmes zugestoßen? Oder waren sie dem Fluch entkommen, von dem Tita mich gewarnt hatte?
    Mit klopfendem Herzen nahm ich ein Blatt Papier und einen Stift und setzte mich an den Schreibtisch, um Westry einen Brief zu schreiben.
    Mein lieber Grayson!
    Ich wünschte, Du wärst jetzt hier und könntest mich in den Armen halten und die Erinnerungen an das Entsetzliche verscheuchen, dessen Zeugen wir geworden sind. Ich fürchte, dass wir nach dem, was wir erlebt haben, diese vier Wände nie wieder mit denselben Augen sehen werden, und das macht mir Angst.
    Ich habe eine Idee, einen Plan. Bisher haben wir nur vage über die Zukunft gesprochen, aber nach dem Krieg, wenn das alles vorbei ist, können wir vielleicht zu unseren Vorgesetzten gehen und das Verbrechen anzeigen. Vielleicht wirst Du nach dem Krieg nicht mehr davor zurückschrecken. Ich habe ein Beweisstück, etwas, das unsere Unschuld beweist, wenn es so weit ist. Bitte, mein Liebster, sag mir Bescheid, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist.
    Aber da ist noch etwas. Du weißt, wie sehr ich Dich liebe, und ich wünsche mir nichts so sehr, wie mein Leben mit Dir zu verbringen – auch hier auf der Insel, wenn es das ist, was Du möchtest. Ich gehöre Dir, mein Liebster, wenn Du mich willst.
    In Liebe
    Deine Cleo
    Ich faltete den Brief, schob ihn in den Hohlraum unter der Bodendiele und stieß einen tiefen Seufzer aus. Dann verließ ich die Hütte.
    Zwei Tage später fuhr Kitty, die auf ihrem Bett lag und in einer Zeitschrift blätterte, plötzlich hoch. »Hast du das gehört? Etwas ist gegen die Fensterscheibe geflogen.«
    Es war halb vier, aber nachdem ein japanisches Kriegsschiff einige Meilen vor der Küste gesichtet worden war, hatte man uns auf unsere Zimmer geschickt. Kitty hatte sich, ihren Rosenkranz in der Hand, die Illustrierte genom men, während ich mich in einen Roman vertieft hatte, den ich im ersten Monat auf der Insel angefangen, aber nie zu Ende gelesen hatte.
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein, ich hab nichts gehört.«
    Niemand

Weitere Kostenlose Bücher