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Einem Tag mit dir

Einem Tag mit dir

Titel: Einem Tag mit dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Jio
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überlagert von den Nachrichten von der Front und dem Elend im Lazarett.
    »Liz hat an der Bootsanlegestelle von einem Corporal gehört, dass sich die Lage wieder zuspitzt«, sagte ich an dem Abend in der Kantine zu Kitty. Wir redeten kaum noch über etwas anderes als den Krieg.
    »Ach?«, murmelte sie abwesend, ohne von ihrem Buch aufzublicken.
    »Was glaubst du, werden wir wieder viel zu tun krie gen?«, fragte ich, genervt von der Unpersönlichkeit unseres Gesprächs.
    »Wahrscheinlich«, sagte Kitty und gähnte. »Ich muss los. Ich habe einen Auftrag von Schwester Hildebrand. Du findest mich im Lazarett.«
    Am anderen Ende der Kantine entdeckte ich Westry, der zusammen mit Ted und einigen anderen Männern über irgendetwas lachte. Wie konnte er nach allem, was wir in der vergangenen Nacht erlebt hatten, so entspannt und gut gelaunt sein?
    Ich brachte mein Tablett weg und wartete draußen.
    »Hallo«, sagte er, als sich unsere Blicke begegneten. Wir gingen in Richtung Bootsanlegestelle. »Wie geht es dir?«, flüsterte er, als niemand in Hörweite war.
    »Nicht gut«, antwortete ich. »Ich muss immer an letzte Nacht denken und bete, dass alles nur ein Albtraum war. Westry, sag mir, dass es ein schlimmer Traum war.«
    Er beugte sich zu mir. »Ich wünschte, es wäre so.«
    »Hast du Lance gesehen?«, flüsterte ich.
    »Nein«, erwiderte er und schaute sich nervös um. »Hast du es noch nicht gehört?«
    »Was denn?«
    »Er ist heute Morgen mit ein paar Männern zu einem Sondereinsatz aufgebrochen.«
    »Kommt mir eher vor wie eine Flucht«, schnaubte ich verächtlich.
    Westry wirkte unruhig. »Wir können darüber nicht reden«, sagte er. »Es ist zu gefährlich.«
    Ich nickte und musste an Liz’ Paranoia denken. Sie war überzeugt, dass das gesamte Camp verwanzt war, deshalb redete sie nur in unserer Unterkunft, meist sogar nur im Waschraum über private Angelegenheiten. »Treffen wir uns heute Abend in der Hütte?«
    Westry rieb sich die Stirn. »Geht leider nicht, ich habe zu tun. Und nach den Ereignissen der vergangenen Nacht … tut es mir vielleicht ganz gut, allein zu sein.«
    Allein sein? Seine Worte trafen mich wie Pfeile.
    »Ach so«, sagte ich. Es gelang mir nicht zu verbergen, wie sehr seine Antwort mich verletzte.
    Er versuchte, mich mit einem Lächeln aufzuheitern. »Ich meine, wir haben beide so wenig geschlafen, dass wir heute lieber früh ins Bett gehen sollten.«
    »Ja, du hast recht«, sagte ich, immer noch geknickt.
    »Bist du wirklich schon wieder so weit, dass du in die Hütte möchtest?«, fragte er. »Nach allem, was da draußen vorgefallen ist?«
    Ja, unser kleines Paradies war von einem schrecklichen Ereignis überschattet, aber gleichzeitig hatte ich das Gefühl, dass Westry dabei war, die Hütte und unsere Beziehung aufzugeben.
    »Ich weiß nicht«, murmelte ich. »Aber ich weiß, dass das, was wir dort hatten, wunderschön war und dass ich es nicht verlieren möchte.«
    »Ich auch nicht«, sagte er.
    Erst eine Woche später ging ich wieder in die Hütte. Allein. Westry war mit einem Trupp auf die andere Seite der Insel gefahren, wo ein neuer Stützpunkt eingerichtet werden sollte. Er hatte mir nicht sagen können, wann er zurück sein würde. Aber im Lauf der nächsten Tage spürte ich immer wieder, wie die Hütte mich rief, und während die anderen Schwestern nach einer besonders harten Schicht um einen Rundfunkempfänger hockten, um die neuesten Nachrichten von der Schlacht im Pazifik zu hören, folgte ich ihrem Ruf.
    Es war schon fast dunkel, als ich mich auf den Weg machte. Während ich am Strand entlangging, hielt ich mein Medaillon umklammert. Voller Vorfreude arbeitete ich mich durch das Gestrüpp, doch kurz bevor ich die Hütte erreichte, blieb ich erschrocken stehen. Jemand saß auf der Stufe vor der Tür.
    Die Gestalt stand auf und kam auf mich zu, während ich zurückwich.
    »Wer ist da?«, rief ich und wünschte, ich hätte eine Laterne mitgenommen. Doch dann erkannte ich die Gestalt im Mondlicht. Es war Tita.
    »Anne«, sagte sie.
    Was machte sie bei der Hütte? Zweifellos suchte sie Atea. Mein Herz raste. Was sollte ich ihr sagen?
    Das Gesicht der alten Frau wirkte müde und ge quält.
    »Wollen wir hineingehen?«, fragte ich und zeigte auf die Hütte.
    Sie betrachtete die Hütte, und ihr Blick sagte mir, dass sie schon einmal da drinnen gewesen war, vielleicht vor langer Zeit. Sie schüttelte den Kopf. »Vielleicht hast du vergessen, was ich dir über die Hütte gesagt

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