Einem Tag mit dir
sagte er. »Und uns und denen, die wir lieben, könnte etwas noch viel Schlimmeres widerfahren, wenn dieses Geheimnis ans Licht käme.«
Wovon redete er? Was verbarg er vor mir?
Ich stand auf und klopfte mir den Sand vom Kleid. »Das ist doch vollkommen verrückt«, sagte ich. »Wie soll ich in dem Wissen, dass hier ein Mörder frei herumläuft, ins Camp zurückgehen?«
Er schaute mich an. »Heute Abend«, er zeigte auf die Hütte, »hast du gesagt, dass du mich liebst. Du hast gesagt, du willst für immer mit mir zusammenbleiben.«
Ich nickte.
»Vertraust du mir also?«
Ich hob ratlos die Hände. »Westry, ich verstehe einfach nicht …«
»Versprich mir, dass du niemandem etwas sagst«, sagte er. »Eines Tages wirst du es verstehen. Ich verspreche es dir.«
Wir wandten uns zu Atea um. Selbst im Tod strahlte sie Schönheit und Sanftmut aus. Ich atmete tief aus und betrachtete Westrys ernstes, entschlossenes Gesicht. Egal, wie absurd mir das vorkam, was er von mir verlangte, ich vertraute ihm. Wenn er sagte, dass wir es so machen mussten, dann glaubte ich ihm.
»Einverstanden. Ich werde es niemandem erzählen«, flüsterte ich.
»Gut«, sagte er und streichelte mir die Wange. »Und jetzt werden wir sie begraben.«
12
W ir betteten Atea gut zehn Meter hinter der Hütte unter einer Plumeria zur letzten Ruhe. Es war nicht gerade ein würdiges Grab für ihr kurzes Leben, aber mehr konnten wir nicht tun. Wesley brauchte eine Stunde, um das Grab auszuheben. Eine ganze Weile sah ich ihm bei seiner traurigen Arbeit zu, doch irgendwann konnte ich das Knirschen der Schaufel in der Erde nicht mehr er tragen und ging an den Strand.
Kaum berührten meine Füße den Sand, sank ich auf die Knie. Noch nie im Leben hatte ich etwas so Entsetzliches erlebt. Und obwohl ich mich entschlossen hatte, Westry zu vertrauen, schrie irgendetwas in mir nach Gerechtigkeit. Immer und immer wieder ließ ich die grauenhafte Szene vor meinem inneren Auge ablaufen in der Hoffnung, irgendeinen Hinweis zu finden, irgendetwas, das mir entgangen war. Und da erinnerte ich mich an das Messer.
Lance hatte es ins Gebüsch geworfen, bevor er geflohen war. Ich musste daran denken, wie die Klinge im Mondlicht geblitzt hatte, und mein Herz begann zu rasen. Wenn ich das Messer fand, könnte ich zumindest beweisen, dass er der Täter war.
Ich lief zur Hütte, holte die Laterne und ging an den Rand des Dschungels. In der Dunkelheit war das Heulen und Schnattern von Tieren zu hören. Der Wind ging durch das Dickicht. Was mir bis dahin wie das Paradies erschienen war, kam mir mit einem Mal vor wie der Hort des Bösen. Ich war schon drauf und dran umzukehren, doch ich zwang mich, immer tiefer in das Dickicht vorzudringen. Atea , sagte ich mir. Denk an Atea . Vorsichtig machte ich einen Schritt, dann noch einen. Das Knirschen unter meinen Füßen schien mit jedem Schritt lauter zu werden.
Ich hielt die Laterne hoch. Es konnte nicht mehr weit sein. Nur noch ein paar Schritte. Eine Schlange glitt dicht vor mir vorüber, und ich wich erschrocken zurück. Ich drehte mich zum Strand um und versuchte einzuschätzen, wie weit das Messer geflogen sein konnte. Zu meiner Linken stand eine große Palme. Ich ging darauf zu und beschloss, von dort aus weiterzusuchen.
Es schien aussichtslos. Es war, als ob der Dschungel das Messer verschluckt hätte, um das schreckliche Verbrechen zu vertuschen. Ich lehnte mich an den Stamm der Palme, um nachzudenken. Als ich die Laterne auf dem Boden abstellte, hörte ich ein klirrendes Geräusch.
Ich bückte mich und sah Metall im Schein der Laterne schimmern. Mit zitternden Händen hob ich das blutige Messer auf und hielt es ins Licht, um die Aufschrift auf dem olivgrünen Griff lesen zu können: Einheit 432, Reg. Nr. 098 stand da.
»Anne! Anne, wo bist du?«, hörte ich Westry rufen.
Wie lange mochte ich nach dem Messer gesucht haben? Was würde er sagen, wenn er davon erfuhr, vor allem, nachdem ich ihm versprochen hatte, nichts in der Sache zu unternehmen?
»Anne!« Seine Stimme kam näher. Ich hob meinen Rock aus hellblauem Leinen an und riss einen Streifen vom Rand ab. Hastig wickelte ich das Messer in das Stück Stoff, grub mit den bloßen Händen ein kleines Loch und legte das Messer hinein. Es gelang mir gerade noch, es mit Erde und Laub zu bedecken, ehe Westry mich fand.
»Da bist du ja«, sagte er. »Was tust du denn hier im Dschungel? Ich habe mir Sorgen gemacht.«
»Ich musste nachdenken«, sagte ich, während ich
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