Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Einem Tag mit dir

Einem Tag mit dir

Titel: Einem Tag mit dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Jio
Vom Netzwerk:
dazu kein Recht hatte«, erklärte mir Loraine. »Er wusste, dass Sie einen Mann und Kinder hatten. Aber tief in seinem Herzen hat er immer geglaubt, dass Sie eines Tages hierher zurückkehren und in der Hütte auf ihn warten würden, so wie Sie es damals getan haben.«
    Ich hob meine Tasche vom Boden auf und nahm das braune Heft heraus. Meine Hände zitterten. »Ich habe das hier gefunden«, sagte ich. »Es sind Briefe, die er an mich geschrieben hat.«
    »Ja«, fuhr Loraine fort. »Jedes Jahr hat er Ihnen einen Brief geschrieben. Er hat das Heft in der Hütte liegen lassen, in der Hoffnung, dass Sie es irgendwann dort finden würden.« Sie verschränkte die Hände und schüttelte wehmütig den Kopf. »Ich fand das alles furchtbar romantisch. Es hat Greg und mir immer in der Seele wehgetan mit anzusehen, wie Mr. Green Jahr für Jahr diese weite Reise auf sich genommen hat, die für einen Mann in seinem körperlichen Zustand sehr beschwerlich gewesen sein muss.« Sie tätschelte ihrem Mann liebevoll die Hand. »Es war wirklich rührend.«
    Ich richtete mich auf. »Was meinen Sie mit seinem körperlichen Zustand?«
    Gregs Augen wurden schmal. »Wissen Sie das wirklich nicht?«
    »Was denn?«
    Loraine warf Greg einen tadelnden Blick zu, dann beugte sie sich zu mir vor, als hätte sie vor, mir etwas Schreckliches zu enthüllen. »Mr. Green saß im Rollstuhl«, sagte sie. »Er war seit einer Kriegsverletzung querschnittsgelähmt.«
    Ich fasste mir ans Herz, um den Schmerz zu lindern. Querschnittsgelähmt . Ich schloss die Augen und dachte an die Szene in Paris, erinnerte mich daran, wie er Kitty angesehen hatte. Konnte es sein, dass der Grund, warum er mich nicht hatte sehen wollen, gar nichts mit Kitty zu tun gehabt hatte? Dass es nur sein Stolz gewesen war?
    »Es ist bestimmt schlimm, sich das alles anzuhören«, sagte Loraine. »Verzeihen Sie, wenn wir Ihnen zu viel zu gemutet haben. Aber wir haben all die Jahre mit angesehen, wie dieser arme Mann auf Sie gewartet hat, und haben immer gehofft, dass es nicht vergebens gewesen ist. Dass Sie jetzt hier sind, ist einfach unglaublich. Greg und ich haben immer für Westry gehofft, dass Sie eines Tages kommen würden, aber nach all den Jahren haben wir wirklich nicht mehr damit gerechnet.«
    Ich betrachtete das Heft, das ich in den Händen hielt, und versuchte, mir einen Reim auf all das zu machen. »Und Westry? Wo ist er jetzt?«
    Loraine zog die Stirn kraus. »Wir wissen es nicht genau«, sagte sie. »Seit fünf Jahren ist er nicht mehr hier gewesen. Wir hatten schon Angst, er sei …«
    Greg legte ihr eine Hand auf den Arm, wie um sie zum Schweigen zu bringen. »Sie haben ja jetzt das Heft mit den Briefen«, sagte er. »Lesen Sie sie. Vielleicht finden Sie darin die Antwort auf Ihre Frage.«
    Ich stand auf. »Danke«, sagte ich. »Vielen Dank für alles. Ich muss jetzt ins Hotel zurück. Meine Enkelin wartet auf mich.«
    Loraine erhob sich ebenfalls. »Wir begleiten Sie, Ms. Calloway.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Das ist nicht nötig. Trotzdem danke für das Angebot.« Ich stieg die Stufen zum Strand hinunter. So schnell, wie meine alten, schmerzenden Beine mich trugen, ging ich zurück zum Hotel und betete, dass ich nicht zu spät kommen würde.

17
    A m frühen Morgen machte ich es mir in meinem Korbsessel auf dem Balkon bequem. Jennifer war nach draußen gegangen, um eine Runde zu joggen, und würde in ungefähr einer Stunde zurück sein. Ich schlug Westrys Notizbuch auf und begann zu lesen:
    23. August 1959
    Meine liebste Cleo!
    Dies ist der erste Brief, den ich Dir schreibe, seit wir uns auf der Insel verabschiedet haben, damals, als uns zwei Flug zeuge in entgegengesetzte Richtungen davongetragen haben. Ich bin heute auf die Insel zurückgekehrt – am 23. August, dem Tag, an dem wir uns vor so langer Zeit zum ersten Mal begegnet sind – in der Hoffnung, Dich hier anzutreffen oder wenigstens eine Erinnerung an Dich vorzufinden, denn fast zwanzig Jahre sind inzwischen vergangen, in denen ich nie aufgehört habe, an Dich zu denken und Dich zu lieben. Es wird Dich freuen zu erfahren, dass die Hütte immer noch steht. Alles ist noch so, wie wir es damals zurückgelassen haben. Die Vorhänge bauschen sich immer noch im Wind, der Schreibtisch und der Stuhl sind noch da, das Bett, alles. Nur Du fehlst.
    Ich wünschte mir so sehr, Du wärst jetzt hier bei mir, mein Liebling. Ich wünschte mir so sehr, ich könnte Dich wie damals in meinen Armen halten. Ich weiß, Du

Weitere Kostenlose Bücher