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Einem Tag mit dir

Einem Tag mit dir

Titel: Einem Tag mit dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Jio
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lebst irgend wo Dein Leben, und dieses Leben möchte ich nicht durch einanderbringen. Dennoch sehne ich mich nach Dir. Und das wird sich niemals ändern. Deswegen werde ich von jetzt an jedes Jahr an unserem Tag hierher zurückkehren in der Hoffnung, dass sich unsere Wege irgendwann noch einmal kreuzen. Ich werde dieses Notizbuch in unseren »Briefkasten« legen. Und auf einen Brief von Dir warten. Und auf Dich.
    In Liebe
    Dein Grayson
    Ich legte das Notizbuch in meinen Schoß und dachte über den Brief nach, der fünfzig Jahre gebraucht hatte, um mich zu erreichen. Er liebte mich immer noch. Gott, er liebte mich noch. Genauso, wie ich ihn vor so langer Zeit geliebt hatte und wie ich ihn noch immer liebte . Und die Hütte – er hatte sie offenbar genauso vorgefunden, wie wir sie hinterlassen hatten. Aber warum hatte er das Gemälde nicht erwähnt? Ich blätterte um und las weiter:
    23. August 1960
    Meine liebste Cleo!
    Ich muss gestehen, dass ich schrecklich aufgeregt war, als ich den Briefkasten geöffnet habe, um dieses Heft herauszunehmen. Ich hatte gehofft, einen Eintrag von Dir in dem Heft zu finden. Noch lieber hätte ich natürlich Dich persönlich hier angetroffen. Aber ich habe all die Jahre gewartet, also kann ich auch noch ein weiteres warten. Ich werde geduldig sein, das verspreche ich Dir, mein Liebling.
    Über die Jahre hatte ich viel Zeit zum Nachdenken. Ich frage mich immer wieder, warum Du nicht auf die Briefe geantwortet hast, die ich Dir aus dem Krankenhaus in Paris geschrieben habe, und warum Du nicht gekommen bist, um mich dort zu besuchen. Kitty hat mir erzählt, Du hättest geheiratet, aber ich habe ihr nicht geglaubt, jedenfalls nicht zu Anfang. Wie hättest Du heiraten können, wo wir uns doch so sehr liebten?
    Jedenfalls habe ich mit all dem meinen Frieden gemacht. Trotz allem jedoch habe ich die Hoffnung nicht aufgegeben, dass Du irgendwann zurückkehrst, dass wir eines Tages wieder vereint sein werden. Ich weiß, dass das Leben weitergehen muss, aber ich werde erst dann wirklich leben, wenn ich wieder mit Dir zusammen bin.
    Bis nächstes Jahr, mein Liebling,
    Grayson
    Ich klappte das Heft zu und umklammerte es ganz fest, zu aufgewühlt von Westrys Zeilen, um weiterzulesen. Kitty hatte mich angelogen, damals im Krankenhaus in Paris. Sie hatte seine Briefe an mich abgefangen. Warum? Wenn ich Westrys Briefe bekommen hätte, wäre mein Leben dann anders verlaufen?
    Ich drehte mich um, als ich hörte, wie Jennifer das Hotelzimmer betrat. »Was für ein herrlicher Morgen, Grandma«, sagte sie. »Du solltest ein bisschen an die frische Luft gehen.«
    Ich stand auf, legte Westrys Heft in meinen Koffer und nahm Genevieve Thorpes Brief heraus.
    »Wir sollten sie jetzt anrufen«, sagte ich. Noch nie war ich mir meiner selbst so sicher gewesen.
    Jennifer setzte sich neben mich aufs Bett, als ich die Nummer ins Telefon eingab und auf den Rufton lauschte. Es klingelte dreimal.
    Dann meldete sich eine Frau und sagte etwas auf Französisch, das ich nicht verstand. »Hallo«, sagte ich. »Hier spricht Anne Call… Anne Godfrey. Ich möchte mit Ms. Genevieve Thorpe sprechen.«
    Die Frau wechselte mühelos ins Englische. »Ich bin Genevieve Thorpe.«
    »Ich bin hier«, sagte ich etwas zögerlicher als beabsichtigt. »Ich bin auf Bora-Bora.«
    »Was für eine Überraschung! Als ich Ihnen geschrieben habe, war ich mir nicht sicher, ob ich je von Ihnen hören würde, ganz zu schweigen davon, dass Sie herkommen würden. Könnten wir uns vielleicht treffen, ehe Sie wieder abreisen?«
    »Ja«, erwiderte ich. »Darum bin ich hier.«
    »Ginge es noch heute, oder würden Sie lieber erst …?«
    »Nein«, fiel ich ihr ins Wort, »das wäre mir sogar sehr recht. Wir wohnen im Hotel Outrigger Suites. Könnten Sie vielleicht hier vorbeikommen?«
    »Ja, gern«, sagte sie.
    Ich legte auf und hoffte, dass ich keinen Fehler gemacht hatte.
    »Ein Tisch für zwei?«, fragte die Kellnerin, als wir das Restaurant betraten.
    »Nein, wir erwarten noch jemanden«, sagte ich. In dem Augenblick erhob sich eine Frau von einem der Barhocker und winkte uns zu. Sie war auffallend hübsch für ihr Alter, klein und zierlich, mit rosigen Wangen und hellbraunen Locken, die mit einer goldfarbenen Spange zusammen gehalten wurden.
    »Hallo«, begrüßte sie Jennifer und mich. Sie war etwa im Alter meiner Söhne, vielleicht Mitte sechzig. »Sie müssen Anne sein.«
    »Ja«, sagte ich und versuchte das merkwürdige Gefühl einzuordnen, das mich

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