Einen Stein für Danny Fisher: Roman
angesteckt hat?" fragte Nellie bekümmert.
Der Arzt hatte wieder zu schreiben begonnen. "Ich weiß nicht, wer sich an wem angesteckt hat. Lassen Sie die Rezepte sofort machen und halten Sie sich warm. Ich komme morgen wieder vorbei, um nach Ihnen zu sehen " Er hielt ihr zwei Rezepte hin, dann wandte er sich zu mir um. "Haben Sie die Nummer?"
Schweigend überreichte ich ihm die kleine weiße Karte, die mir die Leute vom Wohlfahrtsamt ausgestellt hatten. Es war die Genehmigung, auf Staatskosten einen Arzt zu rufen.
Der Arzt kratzte eilig etwas in sein Notizbuch, und ich merkte ihm deutlich an, daß wir die Zeit bereits überschritten hatten, die er uns für die zwei Dollar zugestand, welche er vom Wohlfahrtsamt für die Visite erhielt. Er beendete
sein Gekritzel und übergab mir die Karte und einen Papierbogen. "Geben Sie das der Beamtin, wenn Sie sie wieder sehen", sagte er kurz und griff nach seiner Tasche.
ich betrachtete das Blatt in meiner Hand. Es war ein Formular des Wohlfahrtsamtes, das mich berechtigte, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. "Ja, Herr Doktor", sagte ich.
Er stand bereits bei der Tür. "Befolgen Sie genau, was ich gesagt habe", rief er noch in warnendem Ton über die Schulter, ehe er hinaustrat. "Bleiben Sie im Bett und nehmen Sie die Medizin so, wie es auf der Flasche steht. Ich komme morgen wieder nachsehen."
Die Tür schloß sich hinter ihm, und Nellie blickte mich an. Ich starrte ihr eine Sekunde in die Augen, und eine blinde Wut stieg mir bis in die Kehle. Ich zerknitterte den Papierbogen wütend in meiner Hand. "Dieser verfluchte Schweinehund!" schrie ich gereizt. "Möchte sich einfach noch 'nen Dollar dazuverdienen, das ist alles! Weil du von der Unterstützung lebst, ist er zu beschäftigt, um dir eine ordentliche Auskunft zu geben! Ich wette, er traut sich nicht, seine andern Patienten so zu behandeln!"
Nellie begann wieder zu husten. "Na ja", gelang es ihr zu sagen, "dagegen können wir eben nichts tun. Aber er kommt wenigstens, wenn man ihn ruft. Viele nehmen sich nicht einmal die Mühe zu kommen, wenn sie erfahren, wer die Rechnung bezahlt."
Ich war noch immer wütend. "Er hat sich nicht so zu benehmen, als wären wir der letzte Dreck!"
Nellie trat ans Bett und legte sich nieder. "Jetzt solltest du doch schon wissen, wie die Leute sind, Danny", sagte sie müde.
Ich schämte mich wegen meines Wutausbruchs, als ich ihre geduldige Miene sah. Sie hatte recht. Wenn ich bisher nicht gelernt hatte, wie das Leben ist, werde ich es nie lernen. Ich eilte zu ihr und ergriff ihre Hand. "Gib mir die Rezepte", sagte ich, "ich werde in die Apotheke laufen und sie sofort machen lassen. ich glaube, es ist am besten, wenn ich heute nacht zu Hause bleibe."
Sie schüttelte den Kopf. "Nein, Danny", sagte sie, "laß bloß die Rezepte machen und geh nachher an deine Arbeit. Wir brauchen das Geld."
"Aber der Arzt hat doch gesagt, du sollst im Bett bleiben", wendete ich ein.
Sie lächelte schwach. "Ach, das sagen sie immer, aber wer hat je gehört, daß jemand wegen einer, lausigen kleinen Erkältung im Bett bleibt? Geh nur schön an deine Arbeit, und wenn du wieder nach Hause kommst, sind wir beide wieder ganz gesund."
3
Ich lief die Treppe hinauf und blieb vor der Tür stehen. Während ich den Schlüssel ins Schloß schob, hörte ich Nellie husten. Dann bemerkte ich unter der Schlafzimmertür einen Lichtschimmer. Ich schloß hastig die Tür und eilte ins Schlafzimmer. "Nellie, bist du wach?" rief ich.
ich blieb unter der Tür stehen. Nellie richtete sich soeben von der Wiege auf. "Danny!" rief sie.
Ich eilte mit langen Schritten durchs Zimmer. "Was ist los?"
Sie klammerte sich an meine Jacke. "Du mußt sofort etwas tun!" Sie hustete und versuchte gleichzeitig zu sprechen. "Vickie glüht vor Fieber!"
Ich sah in die Wiege und legte die Hand auf die Stirn des Kindes. Sie war glühend heiß. Ich sah Nellie an.
"Sie hat über vierzig Grad Fieber!" Ihre Stimme zitterte.
Ich starrte Nellie entsetzt in die Augen. Sie glichen fieberverseuchten schwarzen Teichen. Ich versuchte ruhig zu sprechen. "Beunruhige dich nicht", sagte ich rasch, "Kleinkinder haben oft so hohes Fieber. Aber du selbst siehst aus, als hättest du hohes Fieber."
"Mach dir meinethalben keine Sorgen", sagte sie in fast hysterischem Ton, "aber für Vickie muß sofort etwas geschehen!"
Ich packte sie unsanft bei den Schultern. "Nellie!" schrie ich ihr beinahe in die Ohren. "Jetzt reg dich nur nicht auf! Ich laufe sofort
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