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Einer kam durch

Titel: Einer kam durch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: von Werra Franz
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die ›Duchess of York‹, sobald sie sich in den Händen der deutschen PWs befand, nach Frankreich führen. Weiter gehörten zu dem ›Inneren Kreis‹ der Verschwörung mehrere technische und Funkoffiziere, ein Artillerist und zwei U-Bootkommandanten.
    »Ich wünschte, Marine und Luftwaffe würden in Deutschland einmal so gut zusammenarbeiten, wie hier an Bord«, seufzte der Chief, der als Seeflieger immer ein wenig zwischen den Mühlrädern der beiden Waffengattungen gestanden hatte.
    Der Kapitänleutnant Krüger hatte eine Karte des Atlantik entworfen, einen vollen Tag hatte er gebraucht, um die Längen- und Breitengrade aus dem Gedächtnis einzutragen. Schließlich war ihm ein Soldat mit einem winzigen Taschenatlas genannt worden; der Mann hatte ihn widerstrebend für zwei Stunden hergegeben, und der Kapitänleutnant hatte mit Hilfe eines selbstgebauten Storchschnabels die Karte auf ein großes Stück Papier projiziert.
    »Wir sind vor vier Tagen in Glasgow ausgelaufen«, erklärte er den anderen. »Nach meiner Schätzung macht der Geleitzug nicht mehr als zwölf Knoten in der Stunde. Ein- oder zweimal hat er gezackt, das heißt, daß die Fahrt nicht geradlinig verläuft.«
    »Ich denke, die ›Duchess‹ kann vierundzwanzig Knoten machen!« sagte Werra.
    »Sie dürfen nicht vergessen, daß jeder Geleitzug sich nach dem langsamsten Dampfer im Geleit richten muß. Und es sind ein paar alte Kohlenkästen darunter …« Er zeichnete eine Linie auf das Packpapier. »Das ist nach meiner Berechnung der Kurs. Übrigens hat ihr Kamerad Wacker einen kleinen goldenen Taschenkompaß, Werra, mit dem wir heute den ganzen Tag über den Kurs abgesteckt haben. Außerdem haben wir mit ein paar Bierflaschen und einer Fliegeruhr versucht, die Geschwindigkeit der ›Duchess‹ abzustoppen. Alle Versuche ergaben zwischen zehn und zwölf Knoten stündlich. Rechnen Sie noch Strom, Windversetzung und Seegang hinzu, dann müßten wir heute etwa querab Land's End stehen, weit im Atlantik.«
    »Und was läßt sich daraus schließen?« fragte Werra ungeduldig.
    »Daß wir in etwa drei Tagen einen Punkt querab Spanien im Mittelatlantik erreicht haben, wo sich erfahrungsgemäß die Geleitzüge aufspalten. Vermutlich hinter den Azoren. Die dickste Gefahr ist dort nach Ansicht der Engländer überwunden. Sie verteilen die Geleitzerstörer und Kriegsschiffe auf die einzelnen Konvois. In unserem Fall ist es sehr gut möglich, daß man die ganze Meute dem größeren Geleit mitgibt und die ›Duchess of York‹ wegen ihrer höheren Geschwindigkeit allein weiterlaufen läßt …«
    »Das wäre dann der Augenblick!«
    »Allerdings«, sagte der Chief grimmig. »Wir müssen im ersten Moment zuschlagen. Jede Stunde bringt uns weiter weg von der Biskaya. Die Engländer werden, sobald der Funkverkehr mit der ›Duchess‹ abreißt, sofort Einheiten der Nordatlantikflotte von Land's End aus nach Süden laufen lassen, um uns den Weg abzuschneiden. Die deutsche Seekriegsleitung hat nichts dagegen einzusetzen als die Atlantik-U-Boote und ein paar müde ›Condor‹-Flieger. Erst wenn wir in den Bereich der zweimotorigen Bomber kommen, werden wir mit einiger Sicherheit auf Schutz aus der Luft rechnen können. Es ist ein Griff ins Wespennest …«
    Am anderen Morgen erkundete Werra die Waffenkammer der ›Duchess‹. Sie befand sich im vorderen Teil des Schiffes, unmittelbar neben den Maschinenräumen. Während er in seiner Feldwebeluniform im Vorschiff herumspazierte und von Zeit zu Zeit stehen blieb, um sich Notizen über die Lage der Decks, der Niedergänge und der einzelnen Schiffsstationen zu machen, blickte er einmal zufällig auf und sah ein paar Augen, die ihn voll Erstaunen anstarrten. Es war der britische Offizier, der die Gefangenen am Tage nach dem Auslaufen an Deck im Gebrauch der Schwimmwesten und Rettungsboote unterwiesen hatte. Werras Gesicht mußte ihm in Erinnerung geblieben sein; offenbar wußte er aber nicht genau, wie er es mit der Feldwebeluniform und der Schiffchenmütze in Einklang bringen sollte. Jedenfalls war er ein Offizier, und Werra besann sich noch rechtzeitig darauf, daß er Unteroffizier war. Er schob seinen Zettel in die Tasche, legte die Finger der Linken lang und führte die Rechte in einem weit ausholenden Bogen an die rechte Stirnseite, wobei die Hand fast flach vor dem Gesicht lag. Es war ein typisch englischer Gruß, kein Schauspieler auf der Bühne hätte ihn exakter ausführen können. Doch der Offizier schien immer

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