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Einer kam durch

Titel: Einer kam durch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: von Werra Franz
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Spiels genau zu durchdenken. Das Wichtigste war – entschieden die U-Bootoffiziere – die Schlüsselpunkte der gegnerischen Stellung auszukundschaften. Allein für diese Arbeit war der Chief unerlässlich. Denn als ausgebildeter Seemann verstand er mehr von einem Schiff als Werra. Gemeinsam wanderten sie – als Matrosen getarnt – am nächsten Morgen in die Küche und begannen Kartoffeln zu schälen und Rüben zu schaben. Dabei passierte Werra das Missgeschick, daß einer der Soldaten, die ihn im Vorschiff bewacht hatten, in die Küche kam, ihn erkannte und Krach schlug. Die Küchenpolizei wurde gerufen und entschied, daß gefangene Offiziere kein Recht hatten, in der Schiffsküche Kartoffeln zu schälen. Werra wurde unter Bewachung zum Achterschiff zurückgebracht, während der Hauptmann Brinckfeld weiter in der Küche bleiben durfte, wo er lange Gespräche mit dem Hilfskoch führte. Schließlich entschuldigte er sich, daß er die Toilette aufsuchen müsse, und machte einen Rundgang durch das Schiff.
    Das war zweifellos ein Handikap Werras. Sollte er warten, bis eine neue Kommission erschien, der er sich anschließen konnte? Er schwor dem Küchenpolizisten blutige Rache, und als am anderen Morgen gelernte Bäcker gesucht wurden, meldete er sich und bekam einen Job in der englischen Bäckerei. Niemand kannte ihn hier, wenn er, nur mit Unterhemd und Sporthose bekleidet, Brötchen in den Ofen schaufelte, Teig knetete und Teigschüsseln mit dem Schaber auskratzte. Außerdem hatte der Job in der Bäckerei den Vorteil, daß er früh am Morgen begann und früh beendet war. Es gelang ihm, seine RAF-Uniform im Vorschiff zu verbergen, und sobald er seine Rolle als Brötchenbäcker beendet hatte, streifte er wieder durch die ›Duchess of York‹, ging bis zum Bootsdeck hinauf, machte eine genaue Skizze von der Lage der Funkerbude, speiste zwischendurch in der britischen Feldwebelmesse und begegnete auf einem dieser Ausflüge sogar dem Chief, der gerade damit beschäftigt war, die Feuerlöschanlage des Schiffes zu untersuchen. Sie blinzelten sich zu und gingen weiter, ohne ein Wort zu wechseln.
    Abends pflegten sie sich im achteren Kettenkasten zu treffen. Das war ein Raum, in dem es sehr eng war, übel roch und ein ständiges Klirren und Rasseln der Ketten jedes Gespräch verschluckte. Es war der beste Treffpunkt auf dem ganzen Schiff. Hier konnten sie ungestört ihre Erfahrungen austauschen.
    »Ich war heute eine halbe Stunde auf dem Bootsdeck!« sagte Werra und händigte dem Chief eine Skizze aus. »Man kann in Deckung der Ventilatoren bis an die Funkerbude herankommen, ohne gesehen zu werden. Zwei Treppen gehen zur Brücke hinauf. Rechts und links sind solche kleinen Plattformen …«
    »Nocks!« sagte der Chief und blies eine Wolke süßen Rauches aus seinem Mund.
    »… Nocks also«, wiederholte der Flieger. »In jedem Nock steht ein Mann.«
    »Wahrscheinlich Signalgäste!«
    »… soweit ich sehen konnte, unbewaffnet. Hinter der Brücke ist ein Flieger-MG, offenbar ein Zwilling. Unbemannt, mit Segeltuchhüllen verdeckt.«
    »Die tun uns nicht weh.«
    »Auf der Brücke waren, soweit ich es sehen konnte, fünf Mann. Es kann nicht schwer sein, sie zu überwältigen …«
    »Ich habe die Flutventile aufgespürt«, sagte der Chief. »Wir müssen ein paar kräftige Männer zu jedem Ventil schicken, damit die Kerle nicht auf die Idee kommen, die ›Duchess of York‹ einfach absaufen zu lassen, wenn wir angreifen …« Er stieß wieder eine Rauchwolke von sich und fügte hinzu: »Sind Sie sich eigentlich klar, Werra, daß es eine blutige Metzelei gibt, wenn wir versuchen, das Schiff in unsere Hand zu nehmen?«
    »Das hängt davon ab, wie schnell wir arbeiten«, erwiderte der Flieger. »Je schneller wir zupacken, desto unblutiger wird alles ablaufen.«
    »Ihr Wort in Gottes Ohr!« sagte der lange Marineflieger. »Ich unterschätze die Engländer nicht. Die Jungen von der RAF werden sich von Deck zu Deck verteidigen.«
    »Wir müssen eben herausfinden, wo die Waffenkammer liegt. Haben Sie eine Ahnung?«
    »Keinen Dunst«, sagte der Chief und klopfte seine Pfeife aus. »Morgen werden wir uns beide danach umschauen müssen.«
    Sie verließen das Verdeck und gesellten sich zu den anderen. Insgesamt waren nur neun Männer in den Plan eingeweiht, darunter der schlanke, grauhaarige Kommodore Scharff von der ›Europa‹, der während des Norwegenunternehmens von einem englischen Zerstörer gefangengenommen war. Er sollte

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