Einer kam durch
ist ein Dampfer mit britischen Soldaten, die stundenlang mit Gewehr in Vorhatte auf dem Deck rumhüpfen und chinesische Ehrenbezeugungen üben. Ein Dampfer mit Krankenschwestern – übrigens ein paar ganz hübsche Bienen dabei. Glauben Sie, daß man Soldaten und Krankenschwestern nach Kanada bringt?«
»Sie meinen, der Geleitzug trennt sich im Mittelatlantik?«
»Ich hoffe es«, sagte der Flieger. »Und morgen werde ich mich einmal ein wenig auf dem Schiff umtun und versuchen herauszubekommen, was hier gespielt wird.«
***
Auch bei den Fliegern lernte Werra viele neue Gesichter kennen. Neben Manhart, Wilhelm, Wagner, Cramer und Fanelsa, der alten Mannschaft, die sich wieder zusammengefunden hatte, gab es Stukapiloten, die beim Abfangen ihrer schweren Maschinen eine MG-Garbe eingefangen hatten, Zerstörer, die nicht mehr rechtzeitig in den Wolken verschwinden konnten, wenn ihre Me 110 von den schnelleren Spitfires gejagt wurden. Jagdflieger und Flugzeugführer von zweimotorigen Bombern.
Sie alle waren Opfer der ›Schlacht um England‹, deren Aussichtslosigkeit zu diesem Zeitpunkt noch niemand wahrhaben wollte. Nur wenige – wie etwa der kleine, braunäugige Leutnant Wacker, der am 27. Oktober 1940 mit seiner Aufklärungsmaschine auf dem Kanal neben einem britischen Zerstörer notgewassert hatte – wußten bereits, daß der Gedanke an eine Invasion in England so gut wie abgeschrieben war. Die anderen hatten ihn ausgelacht, als er einmal vorsichtig bemerkte, er habe beim Stab, für den er seine Reihenbildaufnahmen machte, schon erfahren, daß die Oberste Heeresleitung beabsichtige, das ganze Englandunternehmen abzublasen.
»Vielleicht für den Winter! Aber im Frühjahr findet die Landung bestimmt statt!« sagten die Gefangenen.
Doch nun waren sie auf dem Schiff, und ganz gleich, ob das ›Unternehmen Seelöwe‹ stattfand oder nicht, sie fuhren nach Kanada und konnten nicht damit rechnen, daß sie in nächster Zeit wieder entlassen wurden. Die Stimmung war allgemein ein wenig trübsinnig, und das Auftauchen des Oberleutnants von Werra mit seinen verrückten Plänen bedeutete für alle eine Aufmunterung. Zumal Werras Pläne bei aller Verrücktheit immer eine echte Chance bargen. Hatte er nicht schon einmal im Cockpit einer englischen Jagdmaschine gesessen?
Sein erster Streich an Bord war, daß er sich am anderen Morgen in seiner Verkleidung als RAF-Feldwebel stillschweigend einer Kommission von britischen Offizieren anschloss, in dem Augenblick, als die Kommission nach Besichtigung des Achterschiffes an dem Posten mit dem Seitengewehr vorbei ins Vorschiff zurückkehrte. Für mehrere Stunden war Werra im englischen Teil der ›Duchess‹ verschwunden. Als er zurückkehrte, strahlte sein Gesicht. Die Kameraden, die atemlos verfolgt hatten, wie er verschwand, barsten vor Neugierde.
»Ich habe in der Feldwebelmesse zu Mittag gegessen«, erzählte er ihnen. »Das Essen war besser als bei uns. Keine Churchillwürstchen, sondern Hammelsteak und grüne Bohnen. Und hinterher Kaffee.«
»Haben Sie etwas erfahren, Werra?«
»Es ist so, wie ich sagte. Die ›Duchess of York‹ macht den Geleitzug bis zum Mittelatlantik mit. Dann fährt sie allein nach Halifax weiter.«
»Das kann stimmen«, sagte einer der U-Bootoffiziere. »Ich habe heute Vormittag den Kurs beobachtet. Der ganze Geleitzug fährt stur West-Süd-West. Möglich, daß er eine Warnung vor U-Booten hat, die nördlich stehen. Aber es ist ebensogut möglich, daß er zunächst südlich fährt, um die Dampfer, die nicht nach Kanada bestimmt sind, ein Stück zu begleiten.«
»Haben Sie nicht erfahren können, wohin der Rest des Konvois bestimmt ist?« fragte Kommodore Scharff, der in Friedenszeiten Kapitän der ›Europa‹ gewesen war.
Werra lächelte. Er hatte die Frage erwartet. »Außer Hammelfleisch und grünen Bohnen gab es noch ein paar nette Feldwebel in der Messe«, sagte er. »Sie unterhielten sich ziemlich offen, weil sie glaubten, auf See vor Spionen sicher zu sein. Einer von ihnen bedauerte lebhaft das Schicksal der hübschen Krankenschwestern in den blauen Mänteln. Er sagte ein paar Mal, daß sie zu Rommel fahren …«
»Das heißt nach Gibraltar und von dort nach Nordafrika?«
»Oder um die Südspitze von Afrika und durch das Rote Meer und den Suezkanal nach Alexandria«, sagte der U-Bootmann. »Scheint mir noch wahrscheinlicher. Glauben Sie, daß wir allein sind, wenn wir uns von ihnen trennen?«
Auch auf diese Frage wußte Werra
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