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Einer kam durch

Titel: Einer kam durch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: von Werra Franz
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fahren Sie wieder?«
    »Na, Sie fliegen doch auch wieder, wenn Sie abgeschossen sind, oder? …«
    »Natürlich!«
    »Schon mal abgeschossen worden?«
    »Ja. Pancaked a Wimpey!«
    »Was?«
    »Warf 'ne Wellington auf den Bauch, Flaksplitter im rechten Steuerbordmotor.« Es war die alte Geschichte, die er bereits in Hucknall erzählt hatte.
    Dem kleinen Ingenieur gefiel sie ausgezeichnet. Irgendwo begann eine Dampfpfeife dumpf zu orgeln. Er warf einen Blick über die Schultern und legte die Hand auf Werras Schultern. »Wissen Sie was? Kommen Sie mit in die Maschinistenmesse zum Essen. Saufraß bei der RAF. Bei uns ist es besser. Seefahrendes Personal hat Sonderverpflegung.«
    Wenig später saß Werra in der Messe der Maschinisten und aß riesige Portionen Erbspürree mit Eisbein und Sauerkraut, eine halbe Büchse Ananas und trank dazu Exportbier aus Flaschen. Für einen knapp ernährten Gefangenen war das zweifellos eine etwas schwere Kost. Er mußte erzählen, und da die Maschinisten ihn offenbar gern hatten, erfand er ein halbes Dutzend Geschichten, um die ihn Münchhausen beneidet haben würde. Schließlich stand er auf und verabschiedete sich. »Dienst«, sagte er mit etwas schwerer Stimme. »Muß nach – meinen Männern – sehen. Sind noch – gar keine richtigen – Männer. Rekruten! Wollen erst -Männer werden!«
    Er hatte einen guten Abgang. Als er schließlich wieder im deutschen Quartier erschien, übergab er Kapitänleutnant Krüger seine Aufzeichnungen. Sein Schädel brummte. Draußen war frischer Wind aufgekommen, die ›Duchess of York‹ stampfte und rollte, ihre schweren Bewegungen und das Exportbier machten ihn schwindelig.
    Der Kapitänleutnant nahm die Notizen und trug sie in den Schiffsplan ein, den er unter einer Platte des Wandpaneels in seiner Kabine gezeichnet hatte. Sobald die Engländer kamen, wurde die Platte wieder eingesetzt, und niemand konnte etwas finden, selbst wenn die Engländer plötzlich eine Razzia im deutschen Quartier machen sollten. Der Marineoffizier arbeitete eine Weile schweigend, während Werra seine Hände auf den Tisch stützte und ihm zusah.
    »Wir haben etwa siebzig Männer, die den ersten Schlag führen«, murmelte der Kapitänleutnant. »Brücke, Flutventile, Funkerbude, Feuerlöschanlage, Waffenkammer. Dann kommt die nächste Welle – ungefähr zweihundert Mann – Offiziere und Soldaten. Die U-Boot-Besatzungen operieren geschlossen. Sobald wir Waffen haben, wird das restliche Achterschiff alarmiert – nicht früher. Geheimhaltung, verstehen Sie?«
    »Verstehe!« sagte der Flieger.
    Kapitänleutnant Krüger zog die Nase kraus. »Verdammt, ich glaube, Sie sind heute früh in die Bierlast der ›Duchess‹ gestiegen und haben sich vollaufen lassen, Werra. Sie riechen wie die Dortmunder Aktienbrauerei …«
    »Nee«, sagte Werra. »War Gast in der Maschinistenmesse. Großartige Kerle. Vor allem dieser Ingenieur. Sah aus wie ein Professor. Wurde vor drei Monaten an dieser Stelle torpediert. Auf einem Bananendampfer, der so was wie ›Holy Rock‹ hieß. Habe es nicht ganz genau verstanden …«
    »›Holy Rock‹? Vor drei Monaten? Das muß Schepke gewesen sein.« Kapitänleutnant Krüger schüttelte den Kopf. Ihm war der kleine Werra fast ein wenig unheimlich, wie übrigens auch zahlreichen seiner Kameraden. Daß ein Deutscher auf dem britischen Teil der ›Duchess‹ herumspazierte und sich von englischen Maschinisten traktieren ließ, erschien ihm einfach unglaubwürdig. Aber da stand er in Lebensgröße, und sämtliche Angaben, die er machte, stimmten genau.
    »Ich glaube, Sie haben Ihren Beruf verfehlt, Werra«, sagte er. »Man hätte Sie in die Abwehr stecken sollen. Wissen Sie, was Sie geworden wären?«
    »Gehorsamst nein, Herr Kaleu!« sagte er.
    »Privatsekretär bei Churchill! Und nun gehen Sie an Deck, und lassen Sie sich den Kopf ausblasen.«
    Bald darauf gab es einen unerwarteten Appell im deutschen Quartier. Die Gefangenen mußten sich an Deck aufstellen und wurden gezählt. Werra hatte sich die Uniformjacke eines Kameraden geborgt und stand am linken Flügel der Offiziere in der vorschriftsmäßigen Uniform eines deutschen Luftwaffen-Oberleutnants. Er hatte den Inhalt einer halben Tube pfefferminzhaltiger Zahnpasta im Mund, um den Geruch nach Exportbier zu vertreiben. Der britische Offizier, der ihn erkannt zu haben glaubte, ging vorbei, blieb bei ihm stehen und fragte: »Sergeant – what's your name, please?«
    »Wie bitte?« fragte Werra

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