Einer kam durch
am Morgen des dritten Tages. Westerhoff hatte bereits die Verdunkelungsläden abgenommen und lehnte aus dem Fenster, als Werra aus seinem Bett hochfuhr, wie von der Tarantel gestochen. »Herrgott, was für ein Vollidiot ich bin!« schrie er laut. »Was für ein blödsinniger Trottel!«
Der Ventilatorschacht war doch das gegebene Versteck für ein Mikrophon. Es war ein Versteck, das ein Deutscher möglicherweise gewählt hätte, aber nicht diese spitzfindigen Schlauköpfe von Briten! Die hatten das Mikrophon dort untergebracht, damit es gefunden wurde!
»Heh, Karlchen! Konntest du das Fenster in deinem vorigen Zimmer aufmachen?«
»Nein. War festgemacht. Ich glaube, mit Schrauben. Wegen Fluchtgefahr, nehme ich an. Warum? Was hast du?«
»Ja, zugemacht! Wegen Fluchtverdachts – und vielleicht noch wegen Selbstmordgefahr. Karlchen, Karlchen, mein armer irrer Freund, was haben die Brüder uns verkauft! Die Tommies haben uns ›reingelegt‹! Merkst du nichts?«
Aber Westerhoff merkte nichts. Empört fragte er zurück. »Was quatscht du da für einen Streifen zusammen? Schlaf weiter, vielleicht bist du nachher wieder normal.«
Werra stöhnte laut auf. »Großer Gott, wenn ich daran denke, was wir gestern besprochen haben!« Er sprang aus dem Bett und rannte ans Fenster. »Nimm mal dein dickes Hinterteil weg, Karlchen! Hilf mir lieber nach einem versteckten Mikrophon suchen! Es muß hier irgendwo am Fenster sein.«
»Du bist ja verrückt! Was für ein Mikrophon soll denn nun schon wieder …«
»Hör zu«, sagte Werra nachdrücklich, »das Fenster in deinem letzten Zimmer war festgemacht, und du konntest es nicht öffnen. Bei mir war es genauso. Ebenso ist es mit allen anderen Fenstern auf dieser Seite des Hauses. Deshalb haben wir nie gesehen, daß sich jemand hinauslehnte. Die Tommies haben dieses Fenster ganz bewußt so gelassen, wie es war, um uns damit zu veranlassen, aus dem Fenster …«
»Und das Mikrophon im Ventilatorschacht?«
»Eine Attrappe wahrscheinlich. Jedenfalls eine ganz raffinierte Täuschung. Verstehst du immer noch nicht? Acht von zehn Kameraden suchen doch nach einem Mikrophon, sobald sie hier reingebracht werden … und finden es, genau wie wir, in der ersten halben Stunde! Und nachdem sie es entdeckt haben, sind sie natürlich alle so stolz auf ihre Gerissenheit, daß sie gar nicht darauf kommen, was wirklich gespielt wird. Mir ist es auch eben erst eingefallen – und viel zu spät. Das Ventilatormikrophon sollte uns veranlassen, in ein gut verstecktes Abhörgerät unter dem Fenster zu sprechen! Na, den Zweck haben die Brüder ja auch erreicht!«
Sie suchten jeden Zoll des Fensterrahmens ab und ebenso gründlich die Mauern. Sie suchten außen und innen. Sie klopften das Fensterbrett ab und die Leisten, fanden aber keine Spur von einem verborgenen Gerät.
Während sie herumtasteten, konnte Werra es nicht lassen, seine Kommentare zu dem Fall abzugeben. Mit lauter, klarer Stimme verkündete er: »Hallo, RAF, Abteilung Abwehr! Oberleutnant von Werra ruft RAF-Abwehr! Ich versuche ein Mikrophon zu finden, das in der Nähe meines Zimmerfensters versteckt ist. Im Augenblick klopfe ich auf das hohle Brett an der linken Seite des Rahmens. Können Sie mich hören? Oberleutnant von Werra bei Versuchen …«
Vielleicht war es nichts als ein Zufall – aber noch am gleichen Morgen wurden Werra und Westerhoff umquartiert …
Werra kam jetzt in einen Raum, der bereits von fünf anderen Luftwaffenoffizieren bewohnt wurde. Hier passierte das, wovon ehemalige Kriegsgefangene noch heute reden, wenn sie sich zufällig wiedertreffen – die ›Sache mit den Fünfundachtzigern‹.
Sämtliche Verhöroffiziere hörten irgendwann einmal plötzlich mit ihren mehr oder weniger kunstvollen Tricks auf und gingen zu einem massiven Frontalangriff auf die Gefangenen über.
Zweck ihres Angriffes war offenbar, Informationen über ›die Fünfundachtziger‹ zu erhalten. Immer wieder wurden Werra und seine Kameraden einzeln nach unten geholt und gefragt: »Was sind die Fünfundachtziger?«
Kaum waren sie dann in ihrem Zimmer, als sie schon wieder zum Verhör geführt wurden!
»Was sind die Fünfundachtziger?«
Kein anderes Thema wurde berührt.
Es gab immer nur eine Frage.
Was waren die Fünfundachtziger, zum Teufel? Waren sie eine neue Flugmaschine? Eine neue Bombe? Ein neues Geschütz? Ein neuer Tank? Eine Geheimwaffe? Eine Rakete? Ein Radargerät? Was – waren – sie?
Selbst wenn Werra willig
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