Einer kam durch
diesem Sauladen!«
Sonny war Werras Spitzname bei den Freunden.
Der britische Offizier trat vom Fenster weg und verließ mit dem Posten das Zimmer. Ehe er abschloss, drehte er sich noch einmal um und grinste breit: »Well, so long, Sonny! Ich lasse euch beiden Geschwaderkameraden jetzt allein.«
Als der Vernehmungsoffizier triumphierend zu dem Squadron Leader King kam und seine Entdeckung meldete, fluchte der einen schrecklichen Fluch. Denn ausgerechnet Westerhoff war der einzige auf der Liste gewesen, über den sie ebenso wenig wußten wie über von Werra. Westerhoff hatte seine Me 109 und sämtliche Papiere verbrennen können und ebenfalls geschwiegen wie ein Grab. Die Methode aber, den einen Unbekannten durch einen anderen Unbekannten zu identifizieren, hatte auch der britische Geheimdienst noch nicht erfunden.
Als die Engländer draußen waren, begrüßten sich die beiden Freunde mit größter Herzlichkeit. Westerhoff stellte Fragen über Fragen.
»Wann und wo bist du heruntergeholt worden? Wie lange bis du schon hier? Warst du auch in Hyde Park? Hast du den Squadron Leader King schon genossen?«
Werra antwortete kurz und zurückhaltend. Seine Augen suchten unaufhörlich über Wände und Decke. Sie blieben in einer dunklen Ecke mit einem kleinen Luftschacht haften, der mit einem Gitter versehen war. Plötzlich unterbrach er Westerhoffs eifrige Fragen und flüsterte: »Wie lange bist du schon in diesem Raum?«
»Sie haben mich gleich heute früh hergebracht. Seitdem war ich allein. Du bist der erste, der …«
»Aha!« Werra legte den Finger an die Lippen und sagte leise: »Hier ist bestimmt irgendwo ein Mikrophon versteckt. Komm, das müssen wir finden. Zuerst mal in der Ecke in den Ventilator sehen … ich werde auf deine Schultern klettern … halt jetzt die Klappe …«
Westerhoff blickte verwundert drein, tat aber, was der andere von ihm verlangte. Als Werra wieder am Boden stand, zog er ihn aus der Ecke fort und flüsterte:
»Da drin ist das Ding! Ich konnte es nicht deutlich erkennen, aber da ist einwandfrei etwas Schwarzes und ein paar Drähte. Man kann auch deutlich sehen, daß erst vor kurzer Zeit die Platte abgeschraubt worden ist. Komm, wir hängen uns aus dem Fenster. Da können wir reden, ohne abgehört zu werden.«
»Warum bist du so mißtrauisch?« fragte Westerhoff, der die Sitten von Cockfosters noch nicht kannte.
»Na, ist doch ein klarer Fall! Die Brüder haben uns nicht aus Menschenliebe zusammengebracht. Wir werden uns den Ventilator heute Nacht mal vornehmen, wenn das Licht brennt. Dann können wir besser sehen.«
Eine Untersuchung bei Lampenlicht ergab tatsächlich, daß sich in dem Ventilatorschacht ein Mikrophon befand. Von nun an vermieden sie nach Möglichkeit alle gefährlichen Themen, solange die Fenster für die Nacht geschlossen und mit Verdunkelungsläden versehen waren. Wenn sie sich etwas zu sagen hatten, zogen sie sich in die entfernteste Ecke zurück und flüsterten.
Es war anfangs ziemlich anstrengend, die Zunge im Zaum zu halten. Aber sie kontrollierten sich gegenseitig und vermieden mit der Zeit alles, was die Engländer interessieren konnte. Um die Agenten für ihre verlorene Mühe zu entschädigen, erfand Werra ein neues Spiel. Er plauderte stundenlang mit Westerhoff über erfundene Kameraden, die in erfundenen Geschwadern mit erfundenen Flugzeugtypen die Insel England angriffen.
»Kennst du Major Heinemann?« konnte er fragen. »Das ist der Kommandeur von der siebten Gruppe in Caen. Fliegt eine neue Ju 1008 mit 42-Millimeter-Kanonen. Die Kiste ist noch etwas kopflastig, soll aber ganz schön steigen. Schade, die hätte ich gerne geflogen …«
»Heinemann ist doch der Flugzeugführer, der als erster die Me 113 ausprobiert hat. Er flog sie mit Küppers vom Einsatzstab ›Hildebrandt‹, nicht wahr?« mußte Westerhoff dann zurückfragen. Doch das Spiel gelang ihm nie so gut wie Werra, der eine geradezu unerschöpfliche Phantasie besaß.
Natürlich gab es weder einen Einsatzstab Hildebrandt noch eine Ju 1008 oder eine 42-Millimeter-Kanone für Jagdflugzeuge, von den Fliegern Küppers und Heinemann ganz zu schweigen. »Das sind unsere Wunschkonzerte für die englische Abwehr!« pflegte Werra dann zu sagen, wenn die Nacht vorbei war und sie wieder den Kopf aus dem Fenster steckten, wo niemand sie hörte.
Hörte sie wirklich niemand? Die Frage beschäftigte ihn im Unterbewusstsein immer wieder. Etwas schien an der ganzen Sache faul zu sein. Was?
Es war
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