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Einer kam durch

Titel: Einer kam durch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: von Werra Franz
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Londoner ›Käfig‹.
    Ein anderer hatte – den Urlaubsschein bereits in der Tasche – noch rasch einen Einsatz mitfliegen müssen, um eine Besatzung aufzufüllen. Er erreichte England mit einem Koffer voller Wein, Kognak und frischer Bauernbutter …
    Dann war noch ein Gefangener im ›Cage‹, der erheblich chinesischer aussah als irgendein Chinese. Teile seiner Uniform, vor allem aber seine Hände, sein Gesicht und Haar, strahlten in leuchtendem Gelb. Die deutschen Flieger hatten vor kurzem Behälter gefaßt, die einen besonderen Farbstoff enthielten. Wenn sie das Pech hatten, ins Meer abzustürzen, sollten sie den Farbstoff als Markierung für die Seenotflugzeuge auslaufen lassen. Dieser Pilot nun hatte den Behälter bereits beim Absprung geöffnet, und die vorbeipfeifende Luft hatte dann den Rest besorgt. Er war ein junger, vergnügter Bursche, den sein Abenteuer völlig kühl ließ. Er erklärte Werra, daß die deutsche Luftwaffe jedenfalls einen unauslöschlichen Eindruck auf den englischen Bauernjungen gemacht habe, der den giftgelben Flieger in einem Kohlacker aufgelesen hatte.
    Spät in der vierten Nacht, nach einem besonders langen und scharfen Verhör, erhielt von Werra den Bescheid, daß er am nächsten Tag in ein Offiziersgefangenenlager abgestellt werden würde. Er hatte endlich die Mühle passiert.
    Drei Wochen lang hatten die Engländer ihn bearbeitet. Doch in der ganzen Zeit hatte er ihnen nach bestem Wissen nicht eine einzige militärische Information gegeben.
    Dagegen hatten die Briten, ohne es zu wissen, Franz von Werra mit einer Fülle von ausgezeichneten Informationen versehen! Während den ganzen Vernehmungen hatten sie ihm notgedrungen einen ziemlich vollkommenen Satz ihrer Tricks und Methoden vorgeführt.
    So gab es schließlich keinen Deutschen, der über britische Vernehmungsmethoden besser unterrichtet war als der Oberleutnant Franz von Werra – eine Tatsache, die sowohl für die RAF als auch für die Luftwaffe eines Tages ungemein wichtig werden sollte.

Hier komme ich schon raus!
    Gegen Ende September 1940 kam Franz von Werra endlich in das Offizierskriegsgefangenenlager Nr. 1 in Grizedale Hall. Es lag im nördlichen Mittelengland, nicht weit entfernt von der Irischen See, in einer hügeligen Landschaft, die durchzogen ist von Heideflächen und weglosen Hochmooren. Das Lager war eingerahmt von zwei lang gestreckten Seen, dem Lake Windermeere und dem Coniston Water – ein ehemals wuchtiger Landsitz, der zum Offiziers-Camp degradiert worden war.
    Heute ist Grizedale Hall wieder leer und verlassen, nur das Gelände wird vom Forstministerium hin und wieder durchgeholzt. Die Baracken und das komplizierte System der Stacheldrahtzäune sind längst abgebaut worden. Aber Spuren aus der Kriegszeit gibt es immer noch genug. Die mächtige, metallbeschlagene Tür des Haupteingangs führt in eine dämmerige Empfangshalle, nur matt erhellt durch das spärliche Sonnenlicht, das die auf Glas gemalten Wappen des letzten Besitzers durchlassen. In dieser Halle steht heute noch der eingebaute Kleiderschrank, ein beredtes Zeugnis vom deutschen Hang zur Ordnung und Disziplin. Er ist von oben bis unten in Fächer eingeteilt; in der Ecke eines jeden Faches ist fein säuberlich ein Zettel eingeklebt, auf dem der Rang des Offiziers steht, für den das Fach vorgesehen war. Die Einteilung erfolgte offenbar nach dem Grad der Bequemlichkeit: das Fach mit der Aufschrift ›Oberste‹ liegt in Schulterhöhe und ist leicht zu erreichen. Darunter kamen ›Oberstleutnante‹ und ganz unten ›Majore‹ – wobei wahrscheinlich angenommen wurde, daß es leichter sei, sich zu bücken, als auf einen Stuhl zu klettern. Nach diesem System war das Fach für ›Leutnante‹ ganz oben, gefolgt von ›Oberleutnante‹ und ›Hauptleute‹.
    Die große, holzverkleidete Bücherei mit dem schönen alten Kamin und den großen Fenstern, von denen man ins Tal sehen kann, wurde von den Gefangenen als Gemeinschaftsraum benutzt. Die Wände der besten Schlafzimmer (zweifellos von den Obersten bewohnt), sind heute noch mit einer Art Seidentapete bedeckt, die mit handgemalten Blumenmustern verziert ist. Nirgendwo zeigen sich Spuren von Vandalismus. Die Eichentäfelung hat nicht einmal einen Kratzer mitgekriegt. Rund um die Wände eines Zimmers, das vom deutschen Personal bewohnt wurde, läuft ein auffallender Fries mit einem ziemlich kunstvollen Blumenmuster. Wenn man genauer hinblickt, erkennt man, daß es mit Wasserfarben auf

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