Einer kam durch
gewesen wäre, hätte er nichts darüber sagen können, denn weder er noch einer der Kameraden hatten jemals etwas von den Fünfundachtzigern gehört. Sie zuckten die Achseln und schwiegen. Die Vernehmungsoffiziere schwitzten.
Dieser Zermürbungskrieg dauerte mehrere Tage und Nächte an. Dann hörte er ebenso plötzlich auf, wie er begonnen hatte. Die vernehmenden Offiziere fragten nie wieder nach den Fünfundachtzigern …
Erst später, ais Werra endlich in einem Gefangenenlager saß, sollte er das Geheimnis der Fünfundachtziger erfahren. Die Lösung war so einfach und so verblüffend, daß er noch Wochen später lächelnd den Kopf schüttelte, wenn er daran dachte.
Kurz darauf wurde von Werra in ein kleines Zimmer gebracht, dessen einziger Insasse ein deutscher Luftwaffenleutnant war. Er stand in einer Ecke und wusch ein Paar Socken im Waschbecken aus.
Er stand dort in der typischen Pose des ›alten Gefangenen‹ und stellte sich vor als Leutnant Kleinen, Jagdgeschwader ›Schlageter‹. Ein Österreicher, freundlich, geschwätzig und mit der ganzen Welt ein wenig unzufrieden. Bis vor wenigen Monaten war er als Ingenieur und Assistent von Professor Messerschmitt tätig gewesen. Dabei hatte er alles kennen gelernt, was im Reichsluftfahrt-Ministerium und in der Luftwaffe einen Namen hatte. Dann war er – um praktische Erfahrungen im Kampfeinsatz der Me's zu sammeln – an die Luftwaffe ›verliehen‹, bei seinem ersten Einsatz abgeschossen und von den Engländern gefangen worden!
»Natürlich«, erklärte er nach dieser Einleitung, »bin ich immer noch schwer an allen technischen Einzelheiten unserer Me's interessiert. Wir hatten zum Beispiel lausigen Ärger bei der Konstruktion der Abwurfvorrichtung für Jabos und beim Mechanismus für das Ausklinken. Haben Sie dabei Erfahrungen sammeln können, Herr von Werra?«
»Halten Sie den Mund!« befahl Werra schroff. »Hier haben die Wände Ohren!«
Leutnant Kleinert blickte gekränkt und verwundert von seinen Socken auf. »Pardon, ich verstehe nicht! Glauben Sie, daß es hier versteckte Mikrophone gibt? Das ist doch Unsinn!«
»Die Möglichkeit besteht immer«, sagte Werra. »Wir werden deshalb keine dienstlichen Dinge besprechen. Ist das klar?« Kleinen blickte immer noch erstaunt und sagte nichts.
»Andererseits«, fuhr Werra fort und sah Kleinert scharf ins Auge, »andererseits könnten versteckte Mikrophone in diesem Zimmer ja auch überflüssig sein!«
»Was wollen Sie damit sagen?« stotterte Kleinert.
»Nun, Sie haben mich zum Beispiel noch nie im Leben gesehen. Ich könnte ja auch ein Spitzel der Briten sein, und in diesem Falle wären doch versteckte Abhörgeräte überflüssig, nicht wahr?«
Kleinert lachte unbehaglich. Er murmelte: »Hören Sie mal, Sie haben aber eine tolle Phantasie!«
Dann sagte er nichts mehr. Bald darauf wurde er abgeholt. Zum Verhör, hieß es. Er kam nicht mehr zurück. Werra blieb wieder einige Tage allein und wurde dann erneut verlegt.
Schließlich, nach zwei Wochen in Cockfosters, wurde er nach London ins Durchgangslager von ›Kensington Palace Gardens‹ zurückgebracht und dort nochmals vier Tage verhört.
In diesen vier Tagen erfuhr er, wie einem Mann zumute ist, der bei einem deutschen Bombenangriff ›auf der verkehrten Seite sitzt‹. Denn er mußte nachts mit anderen Gefangenen zusammen in einem Dachzimmer hocken, während dicht neben ihnen die Bomben niederprasselten und die Flak im Hyde Park unaufhörlich röhrte und ballerte. Zu dem Lärm des Bombenangriffs draußen kam das Stampfen rennender Füße im Innern des Hauses. Fauste hämmerten gegen geschlossene Türen, Stimmen brüllten nach Wachen, Männer verlangten, in einen Luftschutzraum geführt zu werden. Andere Stimmen antworteten mit dem Befehl, die Schnauze zu halten. Noch lauter tobten die Posten bei dem Versuch, Ruhe und Ordnung wiederherzustellen. Werra hatte in diesen Nächten einen sehr unruhigen Schlaf …
Zu der Menagerie, die sich gerade in dieser Zeit im District Cage, im Distrikts-›Käfig‹ von London, aufhielt, gehörten ein paar sonderbare Vögel. Da war etwa jener Bomberpilot in voller Ausgangsuniform! Er war zu einer Gesellschaft eingeladen gewesen, die er in der Nacht seines letzten Einsatzes nicht völlig verpassen wollte. Aus diesem Grunde hatte er unter seiner Kombination den großen Ausgehanzug angezogen. Wollte bei der Rückkehr die Zeit zum Umziehen sparen. Gelandet war er schließlich statt auf der Gesellschaft im
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