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Einer kam durch

Titel: Einer kam durch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: von Werra Franz
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mit einer Verdunkelungskappe.
    Es war stockdunkel. Der Regen strömte.
    Bei einer Hütte über dem Lickletal fanden sie ein zerbrochenes Vorhängeschloss an der Tür! Entschlossen traten sie die Tür ganz auf.
    Das Licht ihrer Lampe fiel auf die hellen Hände und das Gesicht eines Mannes, dessen Augen glitzerten, als das Licht sie traf.
    Er stand dicht hinter der Tür und hielt einen Knüppel in der Hand.
    Seine Kleidung war nass und völlig verschmutzt. Seine Stiefel, heruntergetreten und verbogen, sahen aus, als habe er sie aus einem Mülleimer geholt. Doch der Mann war frisch rasiert. Sein Gesicht wirkte mager und gepflegt. Der ›Home-Guard‹-Mann entsicherte seinen Revolver. »Wo ist Ihre Kennkarte?«
    Der Mann fummelte in seinen prallgefüllten Taschen herum, brachte aber kein Papier zum Vorschein. Er antwortete in einem ganz guten Englisch. »Tut mir leid, ich habe sie vergessen!«
    »Das habe ich mir gedacht! Sie sind der entflohene Nazi! Sie kommen jetzt mit uns!«
    Einer der beiden Engländer band dem Mann eine Schnur um das rechte Handgelenk und wickelte das andere Ende ein paar Mal um seine linke Hand. Der andere ergriff den Mann fest am linken Ellenbogen. Es war kein Verfahren, wie es auf Polizeischulen gelehrt wird. Aber der Schäfer wußte es nicht besser.
    Hinein in die Dunkelheit stolperten sie, einen steilen, schlüpfrigen Hang hinab. Der jüngere ›Home-Guard‹-Mann hielt die Karbidlampe mit der rechten und die Schnur in der linken Hand. »Sie heißen von Werra, nicht wahr?« fragte er.
    Der Gefangene knurrte: »Wirklich? Scheint, daß Sie alles von mir wissen!«
    »Na, ein paar hundert Leute haben die ganze Gegend nach Ihnen abgesucht!«
    »Das weiß ich. Ich habe sie oft gesehen. Was wollen Sie nun mit mir anfangen?«
    »Wir geben Sie an die Polizei ab. Unten auf der Straße warten die Bereitschaftswagen!«
    »Ja? Wirklich? Tut mir leid, Gentlemen, aber … ich muß Sie leider jetzt verlassen …«
    Mit diesen Worten riß von Werra seine angebundene rechte Hand hinter den Rücken und warf dabei den einen Mann aus dem Gleichgewicht. Er holte aus und schlug zu. Der Mann fiel hintenüber. Die Lampe rollte auf den Boden und erlosch.
    Der Gefangene sprang außer Reichweite des anderen Engländers und riß gleichzeitig heftig an der Schnur. Sie kam frei. Im Fallen hatte der Mann wohl losgelassen.
    Werra hatte seinen Angriff sauber berechnet. In Sekundenschnelle war alles vorbei. Er rannte ins Dunkel. Zurück den Hang hinauf nach links – da war ein Waldstück. Der ältere Engländer mit der nutzlosen Sportbüchse schnaufte eine Minute lang dicht hinter ihm, fiel aber schnell zurück. – Er lief ja auch nicht um sein Leben.
    Werra entkam. Eine halbe Stunde später versteckte er sich zwischen Felsen auf der Hochweide. Lange brauchte er, bis sein Atem wieder ruhiger ging. Sein Kopf schmerzte, zum ersten Mal fühlte er sich wirklich am Ende seiner Kraft. Von seinem Ausguckposten konnte er tief unter sich die nadeldünnen verdunkelten Scheinwerfer der Fahrzeuge erkennen; einmal wurden ein paar Leuchtraketen abgeschossen. Doch der Regen machte sie wirkungslos.
    Er saß auf dem Felsen, sah den Leuchtraketen zu und aß nachdenklich einen Apfel. Was für ein Glück, daß er gestern den Apfelgarten entdeckt hatte! Die Bäume waren bereits abgeleert gewesen, aber es hatte noch genug Fallobst unter ihnen gelegen. Seine Taschen waren voll davon, er brauchte nicht zu verhungern. Was für ein Gefühl, von einem ganzen Land gejagt zu werden!
    Im Augenblick war er sicher. Aber er wußte, daß er wieder hinunter mußte, um die Straße vor Morgengrauen zu überqueren. Er warf den Apfelbutzen weg, duckte sich gegen den Felsen und versuchte, so gut es ging, sich gegen den nassen Wind zu schützen. Der Regen rann ihm unentwegt übers Gesicht und den Nacken hinunter. Er fühlte sich kalt und elend. Aber er dachte nicht eine Sekunde daran, aufzugeben.
    Unten auf der Chaussee wurde inzwischen Kriegsrat gehalten. Ein Mann in Ölzeug hatte eine Karte ausgerollt und beleuchtete sie im Führersitz seines Wagens.
    »Weiß der Henker, wie er es geschafft hat, bis hier zu kommen«, sagte er. »Aber er will jedenfalls zur Westküste, und das heißt, daß er über den Duddon-Fluß nach Cumberland hinüberwill. Wir müssen die Wachen dort verstärken.«
    »Ein Sportsmann«, sagte sein Begleiter. »Keinen Mantel, keinen heißen Tee, kein Essen – und gibt nicht auf. Ich hätte nicht gedacht, daß soviel in den Kerlen

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