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Einer kam durch

Titel: Einer kam durch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: von Werra Franz
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seiner Flucht.
    Er sagte ganz selbstverständlich: »Es ist die Pflicht eines deutschen Offiziers, zu entfliehen, wenn er eine Möglichkeit dazu hat.«
    Auf der Wache wurden ihm die Handschellen abgenommen. Er wurde von dem Offizier verhört, der die Suche geleitet hatte. Der Oberkommissar war sehr interessiert, zu erfahren, mit wem und mit wie vielen Menschen er auf seiner Flucht gesprochen hatte. Werra merkte bald, daß es dem Offizier darum ging, herauszufinden, ob er die Hilfe von Engländern erhalten habe. Er konnte ihn über diesen Punkt beruhigen. Außer mit den beiden ›Home-Guard‹-Männern, die ihn vorübergehend festgenommen hatten, war er mit keinem Menschen in Berührung gekommen.
    Der Offizier zeigte ihm den Berg von Meldezetteln mit Telefonanrufen von Menschen, die alle angeblich den Flüchtling gesehen hatten. »Sie haben vielen Leuten eine Menge Ärger bereitet!« sagte er.
    Dann bat er seinen Gefangenen, die Fluchtroute auf einer Karte von Lancashire genau aufzuzeichnen. Werra studierte die Karte eine Weile und erklärte dann, es sei ihm unmöglich, den Weg wieder zu finden; denn die Ortsnamen sagten ihm nichts.
    Und damit war das Verhör beendet.
    Werras Kopf fiel müde nach vorn, sein Kinn sank auf die Brust. Man ließ ihn schlafen, bis die Begleitmannschaft kam, die ihn nach Grizedale Hall zurückbrachte.
    Er wurde sofort vor den Kommandanten geführt, der korrekt, aber nicht übermäßig freundlich, dienstlich, aber nicht grob war. Er verurteilte den Ausreißer zu einundzwanzig Tagen Arrest wegen Fluchtversuchs. Werra wurde gefragt, ob er irgendeine Beschwerde über die Wachen und andere Gefangene vorzubringen habe. Da er die Höchststrafe von dreißig Tagen erwartet hatte, beeilte er sich, dies zu verneinen.
    Er durfte heiß duschen und seine Kleidung wechseln. Halb angekleidet, wurde er vom Arzt des Lagers gründlich untersucht. Zweifellos hatte er an Gewicht verloren und litt an Überanstrengung. Aber davon abgesehen war er in bester körperlicher Verfassung. Er hatte nicht einmal einen Schnupfen, obwohl er fast eine Woche lang bis auf die Haut nass geworden war.
    »Der Kerl ist ein Phänomen. Jeder andere hätte eine Lungenentzündung!« sagte der Lagerarzt.
    Werra wurde in eine Zelle im Keller geführt, bekam zu essen und wurde alleingelassen. Das Bett war schmal und hart. Aber als er sich darauf ausstreckte und die Decke über sich zog, kam es ihm wie ein Himmelbett vor.
    Er erwachte am anderen Morgen, als eine deutsche Ordonnanz, begleitet von zwei englischen Posten, ihm sein Frühstück brachte. Es bestand aus einem Teller Porridge, ein paar Stücken Brot mit Margarine und Marmelade und einer Emailkanne voll Tee. Die Kanne hatte einen gewölbten Deckel, der als Tasse diente. Als der Soldat das Tablett auf den kleinen Tisch stellte, tippte er mit dem Finger auf den Deckel und kniff ein Auge zu.
    Sobald er allein war, untersuchte Werra die Kanne genauer. Innerhalb des Deckels lief eine Rinne, die durch ein Stück Pappe abgedichtet war. Man hatte die Pappe mit Margarinepapier gegen die Teedämpfe geschützt. In dieser Höhlung fand er unerwartete Reichtümer! Grüße von seinen Freunden, auf winzigen Zetteln aus Seidenpapier, einzeln verpackte Zigaretten, die auf diese Weise dem Dampf entzogen worden waren, Schwefelhölzer, die an jeder Reibfläche zündeten, einen Bleistiftstummel und Papierfetzen für seine Antworten. Er zündete sich eine Zigarette an und lachte.
    Dank dem Teekannendeckel blieb Werra während der ganzen traurigen drei Wochen mit seinen Freunden in Verbindung. Durch die Teekannenpost erfuhr er auch, daß eine Gruppe von Gefangenen – darunter Major Fansela – in ein anderes Lager übergeführt worden waren.
    Am Morgen des 3. November, zwei Tage bevor seine Zeit im ›Bau‹ abgelaufen war, erhielt er plötzlich seine Sachen mit dem Bescheid, sich sofort nach dem Frühstück marschbereit zu halten. Er sollte in ein Lager, das weiter südlich, in den so genannten Midlands, lag, versetzt werden.
    Um neun Uhr wurde er mit Handschellen an einen Korporal angeschlossen, von einem Captain herausgebracht und von einem Armeefahrzeug zur Station gefahren. Auf irgendeine Weise mußten die übrigen Gefangenen des Lagers von seiner Abreise Wind bekommen haben. Jedenfalls hingen sie in dicken Trauben aus den Fenstern des oberen Stocks. Als er aus der Tür trat, begannen sie zu winken und ihm zuzurufen. Dieser Abschied von Grizedale Hall kam unerwartet und war sehr verwirrend.

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