Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Einer kam durch

Titel: Einer kam durch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: von Werra Franz
Vom Netzwerk:
Mein Gott, er mußte auf den Flugplatz kommen, ehe der richtige Dienstbetrieb losgehen würde. Aber was sollte er machen, wo er nicht einmal wußte, wie weit es zum nächsten Platz war. Schon besser, hier in der Wärme zu warten, als sich von neuem auf die Suche zu machen.
    Harris hatte recht gehabt, nach kaum einer Viertelstunde tauchte die stämmige Gestalt von Mr. Sam Eaton am Bahndamm auf. Der Schalterbeamte kam die Schienen entlang, nickte kurz zu Harris herüber, rief von ›verdammter Kälte‹ und ging auf das Stationsgebäude zu.
    Harris und Werra hinterdrein.
    Nun war Sam Eaton im allgemeinen eine Seele von einem Kerl, immer gutmütig und hilfsbereit. Aber an diesem Morgen war er schlecht aufgelegt. Denn erstens hatte Sam bei klirrender Kälte anderthalb Stunden von Langley Mill bis Codnor Park Station auf dem Bahndamm entlanglaufen müssen. Zweitens hatte der Dienstmann noch kein Feuer in Sams Kanonenofen anmachen können, aus dem einfachen Grund, weil Sam der einzige Mann war, der einen Schlüssel zu diesem Zimmer besaß. Und drittens war der 6.22-Uhr-Zug nach Nottingham bald fällig, und Mr. Eaton wußte, er würde von zehn nach sechs bis zur Abfahrt des Zuges mit dem Kartenverkauf in der kalten Bude zu tun haben, denn mit diesem Zug fuhren sämtliche Munitionsarbeiter aus der Umgegend. Woher sollte er da Zeit nehmen, sich auch noch mit einem abgeschossenen Flieger zu beschäftigen? Und dann kam ihm die ganze Geschichte, die Harris ihm da erzählte, nicht sehr geheuer vor – er hatte eine Menge Geld in seiner Kasse, und im Nebenraum waren in einem Gewehrständer an der Wand auch noch die Büchsen der britischen Heimwehr untergebracht – schließlich konnte man ja nicht wissen, was dieser Fremde wirklich vorhatte, vertrauenerweckend sah er weiß Gott nicht aus mit seinen ungekämmten Haaren, den schmutzigen Händen und den Erdspuren im Gesicht.
    »Wass'n überhaupt los?« knurrte Sam Eaton. »Was hab'n ich denn damit zu tun?«
    Geduldig wiederholte Werra seine Geschichte. »Verstehen Sie doch, ich muß sofort zum nächsten Flugplatz der RAF. Meine Maschine ist notgelandet. Ich kenne die Gegend hier nicht genau, ich verlange von Ihnen ja nichts, als daß Sie die RAF anrufen. Es ist wirklich sehr dringend!«
    »Wo sind Sie denn notgelandet, he?«
    »Na, so zwei bis drei Meilen westlich von hier.«
    »An der Bahnlinie?«
    »Nicht weit davon.«
    »Welche Seite?«
    Der Beamte war sichtlich mißtrauisch. Werra überlegte, ob er besser ärgerlich reagieren und den Burschen ein bißchen auf Trab bringen, oder ob er es mit Geduld und Charme versuchen sollte. Fanelsas Mahnung fiel ihm ein: »Jetzt reden Sie wie ein deutscher Oberleutnant!« Nein, er mußte es mit der englischen Ruhe versuchen.
    »Was ist mit ihrer Besatzung?« fragte der Beamte.
    »Na, Gott sei Dank alles in Ordnung. Wissen Sie, als es krachte, da hab' ich sie zwischen die Bombenschächte gescheucht, da ist so 'n Vogel ja immer am stabilsten. Wir hatten Glück und fanden gleich 'ne Farm, die haben meinen Jungs Tee gekocht, aber leider hatten sie kein Telefon. Also bin ich losgestiefelt, ich muß mich ja schnellstens bei meinem Haufen in Aberdeen zurück melden. Hat übrigens noch einen wichtigen militärischen Grund – kann nicht darüber reden. Aber es ist wirklich sehr dringend. Die schicken dann eine Maschine, die uns abholt. Bitte – wollen Sie nicht gleich mal telefonieren?«
    Während er redete, legte Werra die Zeitung – Titelseite nach oben – auf den kleinen Tisch neben dem Schalterfenster und warf seine Handschuhe dazu. Dann nestelte er seine Fliegerkombination halb auf und holte eine angebrochene Packung ›Players‹ und eine halbvolle Schachtel ›Swan‹-Streichhölzer aus der Tasche. »Zigarette?« fragte er.
    Eaton schüttelte den Kopf. »No, thanks, jetzt nicht Muß gleich Karten verkaufen.«
    Werra steckte sich eine an und schnippte das Streichholz in den Kamin.
    Der Beamte schien plötzlich einen Entschluß gefaßt zu haben. Er ging zum Telefon, nahm den Hörer ab, stützte seinen Ellenbogen auf den Schreibtisch und sah den Flieger an. Werra grinste erleichtert; dann sah er sich mit gutgespieltem Gleichmut in dem Schalterraum um. Es roch nach abgestandenem Rauch und jenem stinkenden Leim, mit dem bei allen Eisenbahnlinien der Welt die Fahrpläne und Plakate angeklebt werden. In einer Ecke des Raumes stand eine große Kiste. Er ging hin und setzte sich darauf.
    Es dauerte lange, bis das Amt sich meldete. Der Beamte

Weitere Kostenlose Bücher