Einer kam durch
rüttelte ungeduldig an der Gabel. Jeden Augenblick konnten die ersten Fahrgäste am Schalter erscheinen.
Endlich kam das Amt.
»Bitte verbinden Sie mich mit der Polizei!«
Es kam so unerwartet, daß Werra sein Erschrecken kaum verbergen konnte.
»Ja, aber was soll …« fing er an, doch der Beamte sprach bereits und beachtete ihn nicht.
»Dort die Polizeistation von Somercotes? Hier spricht Codnor Park L.M.S. Station. Ich möchte Ihnen mitteilen, daß hier ein junger Mann ist, der angibt, ein holländischer Flieger zu sein, der in der Nähe von Riddings eine Notlandung gemacht hat. Ich soll für ihn die RAF anrufen, aber ich hielt es für richtig, erst mal mit Ihnen … Wie? … Captain van Lott. Van – v – a – n. Lott! L – O – zweimal T … nein, er sagt, er fliegt in der RAF … er sagt, er hat über Dänemark Flaksplitter abgekriegt … ja, das stimmt, war auf dem Rückflug … Nein, er ist nicht verletzt, und die anderen sind auch nicht verwundet … Er sagt, sie sind auf einer Farm … kann ich auch nicht sagen, deshalb wollte ich mich lieber erst mit Ihnen … ja, er sagt jedenfalls, daß er Holländer ist … ich weiß nicht, kann ich nicht beurteilen … ja, genug, um sich verständlich zu machen … ja … Gut. Das ist wohl das beste … right … Goodbye!«
Er hängte den Hörer wieder auf.
»Ich verstehe wirklich nicht, weshalb Sie die Polizei angerufen haben«, sagte von Werra mit erzwungener Ruhe. »Für was halten Sie mich eigentlich? Für einen Spion etwa?«
»Hm, o – das nicht gerade, aber man weiß ja heutzutage nie …«
»Mensch, glauben Sie denn, ich würde Sie bitten, die RAF anzurufen, wenn ich nicht astrein wäre? Glauben Sie, irgendein Dorfpolizist könnte leichter einen Spion von einem echten Flieger unterscheiden als die Royal Air Force?«
»Das ist kein Dorfpolizist, das ist der C.I.D.«
Werra überlegte fieberhaft, wieso sie in dieser gottverlassenen Gegend ein C.I.D.-Kommando hatten. Das war doch Geheimpolizei, so eine Art von Gestapo! Verdammt; jetzt saß er in der Scheiße!
Na langsam, immer mit der Ruhe – nicht gleich weich werden! Aber vielleicht sollte er jetzt lieber auf elegante Weise eine Fliege machen …
»Wissen Sie«, sagte er zu dem Eisenbahner, »wenn mein Kommandeur nachher erfährt, daß ich hier stundenlang bei Ihnen im Wartezimmer gesessen habe, während die ganze RAF nach der verschwundenen Maschine sucht …«
»Sind schon viele Maschinen verschwunden?«
»Na ja, ganz weggeblieben … Aber wir haben doch noch kurz nach Überfliegen der englischen Küste Funkmeldungen abgesetzt. Die wissen doch, daß wir hier irgendwo abgeschmiert sind, nachdem sie plötzlich nichts mehr von uns hörten! – Und statt der Air Force rufen Sie die Polizei an. Das ist doch nur Zeitvergeudung! ich kann den Polizisten auch nicht mehr sagen als Ihnen!«
»Machen Sie sich keine Sorge. Der Sergeant sagte, es käme gleich einer her. Dauert keine zehn Minuten. Ist nicht weit. Er meinte, er wollte Sie sehen. Und darin kann die Polizei ihnen auch besser helfen als ich.«
Werra wurde es immer unbehaglicher.
Fahrgäste erschienen vor dem Schalterfenster und verlangten ihre Tickets. Der Dienstmann kam vom Bahnsteig durch eine Seitentür und rieb sich die Hände.
»Morgen, Sam«, rief er, »eine säuische Kälte, was?«
Über den Flieger schien er nicht erstaunt, er nickte ihm ein kurzes »Morning, Sir« zu und begann mit dem Feuerhaken die Asche aus dem Rost zu stochern und das Feuer anzulegen.
Werra mußte sich jetzt entscheiden. Türmen, solange es ging … oder bleiben und den Polizisten bluffen?
Sein Instinkt riet ihm, zu fliehen – er hatte so ein ungemütliches Gefühl in der Magengrube – aber sein Verstand befahl, zu bleiben. Wenn er jetzt fortlief, dann würde jedem klar sein, daß er etwas zu verbergen hatte. Sam Eaton würde die Polizei sofort alarmieren, und dann würde man ihn mit allen Hunden jagen. Übrigens war dieser Bahnbeamte zwar ein vorsichtiger Mann, aber er schien keineswegs einen bestimmten Verdacht geschöpft zu haben. Vom Ausbruch aus Swanwick konnte man hier noch nichts wissen, der Morgenappell im Lager würde erst in zwei Stunden stattfinden … Na ja, und schließlich war es ja so, wie er selbst vorhin dem Schalterbeamten gesagt hatte: wer sich zutraute, mit der Royal Air Force fertigzuwerden, der durfte schließlich nicht vor einem Polizeisergeanten des C.I.D. zurückschrecken. Es würde schon schief
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