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Einer kam durch

Titel: Einer kam durch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: von Werra Franz
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fragte der Fahrer.
    Werra öffnete die Augen. Er fror tatsächlich, denn in Sam Eatons Bude war es zuletzt ganz schön warm gewesen, und er hatte doch seine Fliegerkombination nicht ausziehen können. »Ein bißchen schon«, sagte er. »Hab ja auch seit vierundzwanzig Stunden nicht mehr geschlafen. Naja, das ist nun mal drin in so einem Krieg.«
    Der Fahrer holte vom Rücksitz eine Decke herüber und gab sie ihm.
    »Thanks«, sagte Werra.
    Der Wagen bog von der Straße ab und rumpelte einen Feldweg entlang.
    Als es draußen hell geworden war, trat Sam Eaton, der Stationsvorsteher und Schalterbeamte von Codnor Park Station, aus seinem Dienstzimmer heraus auf den Bahnsteig und sah lange und angestrengt nach Süden, in Richtung auf Langley Mill. Der Bahnhof liegt ein wenig erhöht an einem Hügel, man kann über Waldstücke und Dickicht hinweg die Felder westlich der Bahnstrecke überblicken. Aber so sehr Sam Eaton seine Augen auch wandern ließ, er sah keinen abgestürzten Wellington-Bomber. Statt dessen bemerkte er eine Anzahl uniformierter Polizisten, die das Gelände absuchten.
    »Möchte wissen, was an diesem Jungen dran war!« murmelte er. »Na, ich habe jedenfalls die Polizei angerufen. Mir kann keiner einen Vorwurf machen. Und vielleicht hat er sich ja nur in der Richtung geirrt und ist ganz woanders abgeschmiert …«
    Aber auch die Polizisten fanden keine Spur von diesem Flugzeug.
    ***
    Dafür wurde gegen acht Uhr morgens Leutnant Manhart erwischt. Aber das spielte sich genau dreißig Kilometer Luftlinie weiter nordwestlich ab.
    Als Manhart mit seinem Schokoladenkoffer über das Tor einer Koppel setzen mußte, weil der Polizist von Somercotes sein Fahrrad vermißte, zeigte die Uhr wenige Minuten nach Mitternacht. Und während Hauptmann Cramer das widerspenstige Fahrrad zu zähmen versuchte, rannte Manhart um sein Leben, bis er plötzlich wie ein Schaf mitten auf der Weide stehen blieb. Zwar besaß er eine Armbanduhr, aber den selbstgemachten Taschenkompaß hatte Cramer. Er wollte zunächst nach Sheffield, und das lag im Norden – so viel wußte er. Der Himmel war im Augenblick von rasch dahinziehenden Haufenwolken fast zugedeckt, jedenfalls war der Polarstern nicht zu entdecken.
    Manhart wanderte querfeldein in nördlicher Richtung, indem er die Straße immer ein wenig mehr links liegen ließ. Am Rand eines zugefrorenen Wassertümpels wartete er, auf seinem Koffer sitzend, fast eine halbe Stunde, ob sich nichts regte. Cramer saß um diese Zeit bereits auf der Polizeistation, aber Manhart schloß messerscharf, daß er entkommen sein müßte, denn sonst hätte es doch gewiß Alarm gegeben.
    Als die Kälte ihn zittern machte, brach er auf, ging um den Tümpel herum, und nun entdeckte er den Polarstern. Seine Richtung stimmte. Das Gelände stieg leicht an, das Gehen mit dem Koffer wurde beschwerlicher. Nach knapp einer Viertelstunde stieß er auf einen Einschnitt, in dem eine Bahnlinie nach Nordwesten führte. Das mußte die Strecke nach Sheffield sein, außerdem verlief die Bahnführung ziemlich eben, also beschloß er, sich an die Eisenbahn zu halten.
    Das Gelände zu beiden Seiten des doppelspurigen Schienenweges stieg immer mehr an, plötzlich erweiterte sich der Einschnitt, eine dritte Spur zweigte ab, offenbar ein Ausweichgleis, denn es lief weiterhin parallel, und schon glaubte Manhart auch, in einiger Entfernung die Lichter eines Zuges auf sich zukommen zu sehen. Noch waren sie ganz klein, aber er konnte sich nicht täuschen – das heißt: Wieso fährt ein Zug mit Licht, dachte er, es ist doch schließlich Fliegeralarm! Aber nun hörte er auch das stapfende Geräusch schon, immer näher kommend, und plötzlich gingen die Lampen aus, das Geräusch aber wurde ganz unvermittelt immer lauter und donnernder, er sprang zur Seite, und dunkel und drohend polterte der Zug vorbei.
    Mit einem Male begriff er, daß da vorne ein Tunnel in den Hügel hineinführte. Der Zug war im Tunnel mit Licht gefahren, hatte die Lampen aber gelöscht, als er die schützende Erde verließ. Und nun, da er wieder auf dem Bahndamm nach Norden ging, auf den Tunnel zu, immer überlegend, ob er es wagen sollte, durch den Tunnel zu gehen, fand er auf dem Ausweichgleis einen Güterzug in Richtung Sheffield stehen, dessen Lokomotive ein leise zischendes Geräusch von sich gab.
    Der Zug stand also unter Dampf, sicher hatte er nur auf den Gegenzug gewartet. Die Waggons waren mit Grubenholz beladen. Kurz entschlossen stieg Manhart in das

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