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Einer kam durch

Titel: Einer kam durch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: von Werra Franz
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silberne Taschenuhr mit der Wanduhr im Schalterraum und wandte sich dann an den Helden von Esbjerg: »Na, dann nichts für ungut, Captain van Lott, Sie werden ja nun wohl vom Flugplatz Hucknall weiterversorgt. Oder können wir noch etwas für Sie tun?«
    Franz von Werra beeilte sich, zu versichern, daß er keine weitere Hilfe benötige.
    »Na, alsdann Hals- und Beinbruch, Sir!«
    Die anderen schlossen sich diesem Wunsch an und verabschiedeten sich herzlich. Selbst der saure Uniformträger hatte seinen Verdacht nun wohl abgelegt und ließ sich zu einer kleinen vertraulichen Information herbei. »Wir haben nämlich gar keine Zeit mehr«, sagte er. »Heute nacht sind aus einem Camp in der Nähe fünf Deutsche ausgerissen. Wir dachten natürlich zunächst, Sie seien einer von denen, Captain.«
    »Wäre ja ganz praktisch gewesen«, meinte der Tweedmantel schon im Gehen, »aber diese Burschen werden uns wohl nicht mit dem Telefon heranholen. Die müssen wir schon selber suchen …«
    Alle lachten. Werra öffnete den Mund, aber seine Kehle war trocken, und es dauerte eine Weile, bis ein heiserer Ton herauskam. Glücklicherweise waren die Polizeibeamten schon in der Tür. Nur Sam Eaton sah ihm in diesem Augenblick gerade ins Gesicht, und sein alter Argwohn wurde noch einmal wach. Aber was ging's ihn an, wenn die Polizei den Mann allright fand, wollte er lieber den Mund halten.
    Die Polizisten riefen noch einmal von draußen zurück: »Auf Wiedersehen also, Captain, und nochmals alles Gute!« Dann hörte man das Brummen ihres Autos, und dann waren sie wirklich weg.
    Franz von Werra lehnte sich an den Fahrkartenschrank. Er wartete zwei Minuten, ehe er eine neue Zigarette aus der Packung zog. Er fürchtete, seine zitternden Finger könnten ihn sonst verraten. Also hatte die Polizei während des ganzen Verhörs gewußt, daß nur einen Katzensprung von hier fünf deutsche Offiziere ausgebrochen waren – und dennoch hatten sie ihn nicht entlarvt.
    Wie gut muß meine Geschichte gewesen sein, dachte er und beschloß, in allen künftigen Vernehmungen bei dem Nachtangriff auf Dänemark zu bleiben, dessen Einzelheiten er jetzt schon so gut auswendig kannte, als hätte er sie selbst erlebt. Nur mit dem geheimen Bombenzielgerät müßte er bei der RAF etwas vorsichtiger sein, denn wie leicht könnten ihn Flieger in ein fachliches Gespräch darüber verwickeln, dem er am Ende nicht gewachsen wäre. Und die Ausrede der Geheimhaltungspflicht zog ja wohl gegenüber Air-Force-Kameraden nicht.
    Schließlich zündete er sich die Zigarette an, während Sam Eaton an seinem Schalter herumwerkte und nicht wußte, was er von der Sache halten sollte. Und dann hörte man wieder einen Automotor, und gleich darauf betrat ein Soldat der Royal Air Force den Raum. Er trug an seinem breiten, aus khakifarbener Baumwolle gewirkten Koppel eine Pistolentasche. Sein Gruß war militärisch, wie gegenüber allen Vorgesetzten.
    »Captain van Lott?«
    »Der bin ich.«
    »Soll Sie nach Hucknall fahren, Sir.«
    »Gut, gehn wir!«
    Er verabschiedete sich von Sam Eaton, der so viel zu seinem Spiel beigetragen hatte, ohne es zu wissen. Er steckte Zeitung, Schokolade, Zigaretten und Streichhölzer ein und ging hinaus. Draußen stand eine viersitzige Limousine von olivgrüner Färbung.
    Werra ging voran. In seiner Verwirrung vergaß er, daß englische Automobile rechts gesteuert werden, weil in England links gefahren wird. Er war schon an der falschen Tür, als er bemerkte, daß der Soldat die Tür auf der anderen Seite offen hielt. Aber er überspielte die Situation, ging vorn herum, strich mit der Hand über den Kühler, nahm ein paar Schritte Abstand, legte den Kopf ein wenig schief und fragte: »Ganz neu ist der auch nicht mehr, was?«
    »Baujahr 1932, Sir!«
    »Siehste, hab ich mir gleich gedacht. So ein ›Austin‹ war unser erstes Auto in Holland. Mein Vater fuhr damit über Land. Er handelte mit Tee, wissen Sie. Guter Motor, was? Ist nicht totzukriegen.«
    »Sehr guter Motor, Sir, aber jetzt verliert er doch schon etwas Öl.«
    Der Soldat hatte nichts gemerkt.
    Als Werra die ausgediente Polsterung des ›Austin‹ in seinem Rücken fühlte, war er zufrieden und müde. Er dachte nicht an das, was nun vor ihm lag. Er schloß die Augen und dachte: die erste Etappe ist programmgemäß verlaufen. Die britische Royal Air Force holt mich mit einem Dienstwagen auf einen Flugplatz, just bei Tagesanbruch. Alles hat geklappt, wie ich es geplant habe …
    »Kalt, Sir?«

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