Einer kam durch
Mann zu, der eintrat. Der Mann trug die Uniform eines Majors. Er hatte einen Stock in der Hand und hinkte.
»Guten Abend, Herr Major«, sagte er zu dem Offizier und grüßte stramm. »Na, wie sieht er aus?«
»Ein politisches Lämmchen. Aber tadellose Haltung. Er hat Charme. Ja, ehrlich, er hat mich direkt ein bißchen eingewickelt. Es klang alles so verdammt überzeugt, was er von Frauen und Autobahnen sagte.«
»Ängstlich?«
»Würde ich nicht sagen. Ein bißchen überkompensiert. Sehr gespannt, was nun werden soll. Ich habe ihn beruhigt. Er ist überzeugt, daß die Engländer noch vor den Eseln kommen. Mein Gott, Sir«, der Hauptmann schmunzelte, »das Gesicht, als ich ihn fragte, ob er bei der Luftwaffe sei. Er hält mich für einen senilen Trottel von der chair borne Division.«
Der Major grunzte: »Kann man ihn knacken?«
»Auf direktem Weg, nein. Ich habe es einmal versucht. Er schaltete sehr schnell. Und dabei war es nur Politik.«
»Aber er redet gern, sagen Sie?«
»Leidenschaftlich!«
»Dann kann man ihn knacken.«
»Ich würde nicht zu sicher sein. Es steckt etwas hinter ihm, das ich nicht definieren kann. Ich würde sagen, er hat hinter einer liebenswürdigen Außenseite einen stählernen Willen. Er kann dickköpfig sein.«
»Was schlagen Sie vor?«
»Er leidet unter Einsamkeit. Ein geselliger Typ. Jetzt wird er erst einmal von einem Sergeanten weggebracht, scheinbar zu einem Gefangenenlager. Das ist wichtig. Der Sergeant muß es deutlich durchblicken lassen. Statt dessen bringt man ihn nach Cockfosters. Das ist eine Enttäuschung. Keine Zigaretten! Morgen kommen die beiden Ärzte dran, mit den Instrumenten und so weiter. Das ist ein blöder, aber eindrucksvoller Trick. Dann kommen Sie. Wenn er weichzumachen ist, dann müssen Sie das Kunststück fertigbringen.«
»Und es ist von Werra?«
»Eindeutig. Die Ohrläppchen. Der steife Finger. Als ich ihn fragte, ob er nicht eigentlich Schweizer sei, verriet er sich ganz kurz. Er lenkte dann gewandt über und stritt es ab.«
»Na«, sagte der Major grimmig und betrachtete seinen Stock. »Ich werde ihm morgen die amerikanische Krawatte anlegen. Sie sagen, daß er eitel ist?«
»M-hm, sehr leicht verletzlich. Nicht eitel.«
»Ich werde ihn da verletzen, wo es ihm weh tut«, versprach der Major und hinkte hinaus. Der Hauptmann trat nach einer Weile ans Fenster, schloß es und zog die Verdunkelung vor. Drunten verließ ein Auto den Palast. Es brachte von Werra nach Cockfosters. Doch er ahnte es nicht …
Sie sind ein Lügner, Herr von Werra!
Sie fuhren durch die nördlichen Vorstädte von London und bogen dann in eine Seitenstraße ein. Vor dem Portal eines hochummauerten Landsitzes stoppte der Wagen. Ein breitschultriger Mann in Zivil prüfte die Papiere des Offiziers; die Losung wurde halblaut ausgetauscht. Der Wagen glitt lautlos durch ein kleines Waldstück und hielt erneut vor einem hohen Stacheldrahtverhau.
Ein paar hundert Meter weiter war wieder ein Tor, ebenfalls durch Stacheldraht geschützt. Wachposten patrouillierten schattenhaft zwischen den beiden Zäunen. Auch die kurze Anfahrt zwischen den beiden Toren war mit Stacheldraht gesichert, so daß der Raum dazwischen völlig eingeschlossen war.
Am ersten Tor wurden wieder die Papiere kontrolliert. Der Posten am zweiten Tor stand still, ohne ein Wort zu sagen, er wollte weder die Papiere sehen noch öffnete er das Tor. Der Offizier im Wagen schien nichts anderes zu erwarten.
Dann schrillte im Wachlokal eine Klingel. Irgend jemand telefonierte, und dann rief eine Stimme: »O.K.!«
Der Posten sprang ans Tor und riß es auf.
Von Werra pfiff durch die Zähne. Vorsichtige Leute!
»Aussteigen!« befahl einer der Militärpolizisten. Sie standen am Ende eines Riesengebäudes, das von drei Seiten einen Platz umschloß. Es war Trent Park in Cockfosters, die Nachrichtenzentrale der Royal Air Force. Aber Werra wußte das nicht.
Als sie abstiegen, rannte ein Sergeant aus einer Seitentür, setzte schnell die rote Mütze auf und salutierte. Der Offizier dankte: »Ein Boche abgeliefert. Quittieren Sie hier, Sergeant!«
Der Sergeant führte Werra durch die Seitentür ein paar Stufen in den Keller hinunter. Dann ging es durch einen langen Gang, unter dessen Decke viele Heizungsrohre entlangliefen. Es roch nach einer merkwürdigen Mischung von Kokskeller und Krankenhaus. Das Knallen der genagelten Stiefel auf dem Zementfußboden dröhnte durch den halbdunklen Gang.
Von Werra fühlte ein
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