Einer trage des anderen Schuld
sich innerlich zu sehr verbarrikadiert, um diese Nähe zuzulassen, als gehörte auch er zu den Feinden.
»Margaret, Monk will diesen widerwärtigen Handel mit Kinderpornografie auf dem Fluss beenden; er hat kein Interesse daran, eine bestimmte Person zu verfolgen. Wenn er wegen Phillips auf Rache aus war, meinst du nicht, dass er sie am Execution Dock in ausreichendem Maße bekommen hat?«
Sie starrte ihn fassungslos an. »Du glaubst mir also nicht? Du stehst auf Monks Seite!«
Er schluckte die in ihm aufsteigende Erbitterung hinunter. »Ich versuche, deinen Vater zu verteidigen. Mit persönlichen Angriffen auf die Polizei lässt sich das nicht erreichen, es sei denn, Monk begeht einen Fehler. Wenn ihm das passiert, werde ich ihn auseinandernehmen, ob Freund oder nicht.«
»Wirklich?«, fragte sie zweifelnd.
Er empfand diese Frage als unlauter, und unter normalen Umständen hätte er ihr das auch gesagt. »Du weißt doch, dass ich das tun werde«, sagte er sanft. »Bin ich nicht genauso bei Phillips’ Verteidigung mit Monk und Hester umgesprungen? Und dabei habe ich diesen Kerl verachtet! Wie viel mehr würde ich mich dann erst für die Verteidigung deines Vaters einsetzen?«
»Du weißt, dass er unschuldig ist, nicht wahr?« Jetzt war ihre Angst deutlich sichtbar. Nur eine Armeslänge von ihm entfernt zitterte sie am ganzen Leib. Was konnte er ihr sagen? Er wusste schließlich nicht, ob Ballinger frei von Schuld war. Dass er Parfitt ermordet hatte, hielt er für unwahrscheinlich. Wozu hätte er auch eine derart sinnlose und unnötige Tat begehen sollen? Aber was eine Verstrickung mit den Leuten betraf, die die Boote und das Elend der dort gefangenen Kinder ausnutzten, war er sich keineswegs sicher, ob Ballinger wirklich eine reine Weste hatte.
»Oliver!«, rief Margaret. Hätte er nicht den aus allen Poren tretenden Schweiß gesehen, hätte er geglaubt, im Zimmer müsse es eisig kalt sein.
»Ich weiß, dass er Parfitt nicht umgebracht hat«, versicherte er ihr. »Natürlich. Aber ich befürchte, er könnte bei der Verteidigung einiger von Parfitts Opfern weiter gegangen sein, als ihm das eigentlich recht war. Ich bin mir nur nicht absolut sicher, dass er wirklich nicht weiß, wer der Mörder ist, und ob er ihn nicht schützt.«
»Warum? Warum, in Gottes Namen, sollte er einen Mann schützen, der … einen Mord begangen … oh …« Ihre Stimme sank zu einem Flüstern herab. »Du meinst, er könnte ein Mandant von ihm sein? Ja, natürlich! Er ist bereit, einen Prozess auf sich zu nehmen und dazu all die Schmerzen und Vorwürfe, um ein Opfer von Parfitts Erpressung zu schützen, dem er sein Wort gegeben hat!« Mit einem Schlag hörte sie auf zu zittern, und der sich straff um ihre Schultern spannende Stoff lockerte sich etwas.
Das hatte Rathbone ganz und gar nicht gemeint. Im Gegenteil, er hatte an eine weit weniger edle Tat gedacht, doch er brachte es nicht übers Herz – oder hatte vielleicht einfach nicht den Mut –, Margaret zu widersprechen. Als er ihr in die Augen blickte und die plötzliche Zuversicht bemerkte, erstarben ihm die Worte auf den Lippen.
»Möglich ist das. Ich muss für alle Eventualitäten gewappnet sein.«
»Würde er sich dir denn nicht anvertrauen?«, drängte sie. »Du bist schließlich sein Verteidiger, und alles, was er dir sagt, fällt unter die Schweigepflicht.«
»Natürlich«, bestätigte er, um ein Lächeln bemüht, »sogar dir gegenüber, meine Liebe.«
»Oh!« Sie versuchte, in seinen Augen zu lesen, was er womöglich wusste und ihr nicht sagen konnte.
»Was hältst du eigentlich von diesem Winchester?«, fragte sie nach einer Weile. »Was ist er für ein Mensch?«
»Sehr klug«, antwortete Rathbone. »Ziemlich sympathisch. Er ist gefährlich charmant, bisweilen sehr amüsant, aber unterhalb dieser Oberfläche verbirgt sich ein äußerst scharfer Verstand.«
»Du machst mir Angst!«, rief Margaret heftig. »Das klingt ja, als gäbest du zu, dass er gewinnen könnte!«
»Natürlich könnte er gewinnen. Wenn ich das nur für einen Moment vergesse, lade ich ihn förmlich dazu ein!« Rathbone holte tief Luft und fuhr, um einen ruhigeren Ton bemüht, fort: »Margaret, sie haben Beweismittel. Hätten sie keine, würden sie morgen nicht vor Gericht ziehen. Wenn ich eine Möglichkeit gehabt hätte, den Prozess zu verhindern, meinst du nicht, dass ich das längst getan hätte?«
»Doch, ich weiß. Aber trotzdem ist das lächerlich! Mein Vater? Kein Mensch, der ihn
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