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Einer trage des anderen Schuld

Einer trage des anderen Schuld

Titel: Einer trage des anderen Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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hatten.
    Schließlich suchten sie Claudine in der Speisekammer auf, wo sie die Vorräte überprüfte. Mehl, Bohnen aller Arten, Gerste, Hafer und Salz waren reichlich vorhanden. Bei anderen Lebensmitteln wie Dörrpflaumen und braunem Zucker herrschte Knappheit.
    Claudine lächelte, als sie Hesters Blick auf dem halb leeren Topf mit Pflaumenmarmelade verweilen sah, und bemerkte, wie Scuffs Augen sich angesichts all der Lebensmittel weiteten, die ihm wie Luxus vorkommen mussten.
    »Ich gebe dir später eine Scheibe Toast mit Marmelade, wenn du brav bist«, versprach Claudine Scuff.
    Hester stupste ihn an.
    »Danke«, sagte Scuff hastig.
    »Oder möchtest du stattdessen lieber ein Stück Kuchen?«, fragte Claudine mit fröhlich funkelnden Augen.
    »Ja!«, rief er, wie aus der Pistole geschossen. Dann schielte er zu Hester hinüber. »O ja – bitte.«
    Hester berichtete Claudine von den Widersprüchen in den Aussagen der Frauen, die am Morgen von Hatties Verschwinden gearbeitet hatten.
    Claudine begriff sofort, dass es um etwas Ernstes ging. »Da stimmt was nicht«, bestätigte sie. Sie drehte sich zu Scuff um. »Wenn du in die Küche gehst, wirst du Bessie dort antreffen. Sag ihr, dass ich dir ein Stück Pflaumenkuchen aus dem dritten Glas versprochen habe. Vergiss nicht: aus dem dritten Glas. Dann weiß sie, dass du die Wahrheit sagst. Niemand sonst weiß, dass er dort ist.«
    Scuff sog die Luft tief ein und ließ sie wieder entweichen. »Ich ess ihn später«, erklärte er und trat näher an Hester heran. »Sie werden ihr gleich sagen, wer die Tür aufgemacht hat und Hattie rausgelassen hat, damit sie sie umbringen. Da muss ich dabei sein. Aber danke.«
    Claudines Blick wanderte von ihm zu Hester. »Hat er recht?«
    Hester nickte. »Ja, leider. Sie hatte strenge Anweisungen, das Haus nicht zu verlassen, egal, aus welchem Grund. Nicht einmal in den großen Räumen durfte sie sich blicken lassen, wo ein ständiges Kommen und Gehen herrscht. Sie wusste, dass ihr Gefahr drohte.«
    Claudine starrte sie entsetzt an. »Und? Ist sie ermordet worden?«
    »Ja. Claudine, ich muss wissen, wer sie dazu überredet hat, die Klinik zu verlassen.«
    »Was wird das jetzt noch nützen? Dem armen Mädchen ist doch nicht mehr zu helfen.«
    Hester schüttelte den Kopf. »Auf den ersten Blick könnte man meinen, sie hätte sich einfach nur dummm verhalten. Aber wenn sie mit Absicht weggelockt wurde, muss ich die Zusammenhänge erfahren. Der Prozess läuft schlecht. So wie es aussieht, kann nichts bewiesen werden, und Ballinger kommt dank begründeter Zweifel noch einmal davon. Wir werden dann wieder ganz von vorn anfangen müssen.« Was sie nicht sagte, war, dass die schrecklichen Geschäfte auf den Booten exakt so weitergehen würden wie zuvor, sobald der Drahtzieher im Hintergrund einen Ersatz für Mickey Parfitt gefunden hatte. Sie wollte Scuff nicht unnötig beunruhigen, fürchtete aber, dass er sich nicht lange täuschen lassen würde.
    Mit einem Schlag verschwand das heitere Funkeln aus Claudines Augen, und jetzt wirkten sie müde und zutiefst unglücklich. »Dann sollten Sie besser Lady Rathbone befragen. Sie war an diesem Vormittag im Haus und hat in der Waschküche und im Medikamentenzimmer gearbeitet, einfach um die Vorräte zu überprüfen. Sie wird wissen, wer hier lügt.«
    Hester prallte erschrocken zurück. »Margaret war hier?«
    Claudines Gesicht gab nichts preis. »Ja.«
    »Wie lange?«
    »Ungefähr eine Stunde.« Claudine beobachtete Hester, und ihre Miene verriet wieder Bestürzung.
    »In der Waschküche?«
    »Ja. Hester … ich glaube nicht, dass die Frauen, egal, welche, Sie anlügen würden. Sie sind Ihnen doch dankbar und müssten sonst nur befürchten, in Zukunft nicht mehr hier behandelt zu werden. Außerdem: Was hätten sie davon? Nicht in einer solchen Angelegenheit. Anderen gegenüber würden sie lügen wie gedruckt, aber nur um Sie zu beschützen. Ihnen würden sie in dieser Angelegenheit die Wahrheit sagen. Sie alle wussten doch, warum Sie Hattie Schutz bieten wollten.«
    Hester war klar, dass sie recht hatte. Margaret war diejenige, die allen Grund hatte, Hatties Aussage zu fürchten. Nur wäre es Hester nicht in den Sinn gekommen, dass sie so weit gehen würde. Aber wer Hattie dazu hatte bringen wollen, dass sie nach Chiswick zurückkehrte, wo sie letztlich im Fluss endete, musste etwas viel Komplizierteres ersonnen haben, als sie einfach zum Weggehen zu überreden.
    Scuffs Augen wanderten zwischen Hester

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