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Einer trage des anderen Schuld

Einer trage des anderen Schuld

Titel: Einer trage des anderen Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Gefühle.«
    Margaret fasste ihre Mutter kurz am Arm. »Ich treffe dich, wenn die Verhandlung fortgesetzt wird, Mama. Bleib mit Gwen und Celia zusammen.« Ohne die Antwort ihrer Mutter abzuwarten, ließ sie sie los und drehte sich zu Hester um. »Gehen wir besser in Olivers Räume. Was immer Sie zu sagen haben, sollte nicht zu einem Spektakel hier draußen aufgebauscht werden. Kommen Sie.« Dann führte sie sie vorbei an den wenigen noch in den Korridoren weilenden Leuten zu dem Büro, welches das Gericht Rathbone für die Dauer des Prozesses zur Verfügung gestellt hatte, damit er dort seine Unterlagen aufbewahren und – falls nötig – Gespräche führen konnte. Der Gerichtsdiener erkannte Margaret und ließ sie hinein, ohne Fragen zu stellen. Da Hester als ihre Begleiterin erkennbar war, durfte sie ebenfalls passieren.
    Kaum war die Tür ins Schloss gefallen, baute sich Margaret vor Hester auf.
    »Nun, worum geht es? Nach den Beschuldigungen Ihres Mannes gegen meinen Vater können Sie ja wohl kaum von mir erwarten, dass ich mich darüber freue, Sie zu sehen, oder mir einbilde, Sie könnten mein Wohlergehen im Sinn haben.«
    Es war noch gar nicht so lange her, dass sie enge Freundinnen gewesen waren, zusammen gelacht und geträumt hatten, miteinander gefiebert hatten, als Rathbone Margaret den Hof machte, und tausend Ängste ausgestanden hatten, dass er es vielleicht nicht wagen würde, um ihre Hand anzuhalten. Margaret hatte es nie direkt gesagt, aber es hatte eine Zeit gegeben, zu der sie fürchtete, er würde nur Hester lieben, und sich insgeheim vorstellte, dass Hester ihn glücklicher machen würde. Und es hatte lange gedauert, bis ihr klar geworden war, dass das nicht stimmte.
    Jetzt standen sie einander gegenüber in diesem kleinen Zimmer mit Tisch, Stühlen und Bücherschränken. Räumlich lagen vielleicht zwei Armeslängen zwischen ihnen, emotional trennten sie Welten.
    Sie konnten es sich nicht leisten, ihre Zeit mit Konversation oder den Bemühungen um eine gute Atmosphäre zu vergeuden.
    »Sie waren an dem Morgen, als Hattie Benson verschwand, in der Klinik«, stellte Hester fest.
    Margaret stand steif da, die Schultern hochgezogen, und die Wangen von einem sehr blassen Rot. »Sind Sie gekommen, um mir das zu sagen?«, fragte sie überrascht. »Sie haben Ihren Beweis verloren. Das weiß ich. Sie wird nicht aussagen, um Ihren Freund zu retten. Wie Sie allerdings mit Rupert Cardew befreundet sein können, entzieht sich meiner Vorstellungskraft. Ich versichere Ihnen, Ihre Loyalität ist hier fehlgeleitet.«
    Alle möglichen bitteren Erwiderungen lagen Hester auf der Zunge, doch sie sprach nichts davon aus. Sonst riss die an einem seidenen Faden hängende Verbindung zwischen ihnen endgültig, doch sie musste unbedingt die Wahrheit in Erfahrung bringen.
    »Ich möchte wissen, was Hattie zugestoßen ist, Margaret, das ist alles, was mich im Moment umtreibt. Ich habe ihr versprochen, dass ich mich um sie kümmere. Jetzt will ich wissen, warum ich gescheitert bin, egal, was sie im Zeugenstand ausgesagt hätte.«
    »Sie hätte zum Beispiel sagen können, dass sie Sie angelogen hat«, entgegnete Margaret. »Sie waren freundlich zu ihr, und sie wollte Ihnen schmeicheln. Ich könnte mir vorstellen, dass sie außerdem eine ziemlich genaue Vorstellung von ihren Interessen hatte, sollte sie jemals eine Krankheit oder Verletzung erleiden oder Ihre Hilfe bei einem Problem benötigen. Sie wäre ja nicht die Erste gewesen, die gelogen hat, um sich bei der Polizei lieb Kind zu machen, sei es aus Angst, aus Rachsucht oder weil das schlicht und ergreifend leichter ist, als dauernd zu kämpfen. Sie wissen genauso gut wie ich, dass Straßenmädchen davon leben, dass sie anderen schmeicheln, häufig jenen, vor denen sie Angst haben.« Sie machte eine kleine, halb mitleidige, halb verächtliche Geste. »Sie wissen, was die Leute wollen, und geben es ihnen. Das ist ihr Gewerbe.«
    Hester schüttelte energisch den Kopf, als wollte sie sich von etwas befreien. »Ist es das, was Sie in ihr sehen? Einen Menschen, der lügt, um zu gefallen, sonst nichts?«
    »Ach, um Himmels willen, Hester, seien Sie nicht so selbstgerecht! Jetzt hat die Stunde der Wahrheit geschlagen. Ja, genau so sehe ich Mädchen wie Hattie. Wenn ich das Pech gehabt hätte, ihr Los zugeteilt zu bekommen, wäre ich vielleicht auch so geworden. Aber das bin ich nicht. Ich hatte wunderbare Eltern, erfreute mich bester Gesundheit, konnte guten Beispielen folgen und

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