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Einer trage des anderen Schuld

Einer trage des anderen Schuld

Titel: Einer trage des anderen Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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getan haben«, ergänzte sie.
    »Wie haben sie sie umgebracht?«, flüsterte er.
    »Schnell. Ich nehme an, sie hat gar nicht mitbekommen, was passiert ist.«
    »Wie bei Mickey Parfitt?«
    »Ja, genau so.«
    »War es derselbe Mann, der ihn abgemurkst hat?«
    »Das nehme ich an. Sie wurde wie er im Fluss gefunden und fast an der gleichen Stelle.«
    »Is’ Mr Ballinger denn nich’ im Gefängnis?« Er schlang sein Nachthemd etwas fester um sich.
    »Jetzt ist er hinter Gittern, doch als sie ermordet wurde, war er frei. Allerdings gilt das Gleiche auch für Rupert Cardew.«
    Seine Augen weiteten sich. »Glauben Sie denn, dass er sie umgebracht hat?«
    »Nein. Aber die andere Seite könnte versuchen, es so aussehen zu lassen, um für Mr Ballinger einen Freispruch herauszuholen.«
    »Sie mögen Mr Cardew, nich’ wahr?«
    »Ja, aber das hat nichts damit zu tun. Zumindest sollte es das nicht.«
    Das verwirrte ihn. »Würden Sie ihn denn nich’ mehr mögen, wenn er es getan hätte?«
    Seine Hand lag immer noch auf ihrer, als hätte er sie ganz vergessen. Hester wiederum achtete sorgfältig darauf, sich nicht zu bewegen. »Es kann sein, dass ich ihn dann immer noch mögen würde. Man hört ja nicht auf, Menschen zu mögen oder zu lieben, nur weil sie etwas Falsches getan haben. Wahrscheinlich versucht man dann zuallererst zu verstehen, warum. Und es macht einen großen Unterschied aus, wenn es ihnen leidtut – wirklich leidtut. Aber das heißt noch lange nicht, dass sie nicht dafür büßen müssen oder so viel wiedergutmachen, wie sie nur können. Für alle muss das Gleiche gelten, sonst gibt es keine Gerechtigkeit.«
    Scuff nickte. »Und was machen wir jetzt?«
    »Herausfinden, was geschehen ist.«
    »Morgen?«
    »Ja. Es tut mir leid, dass ich dich geweckt habe, um es dir zu erzählen, aber morgen früh reicht die Zeit dafür vielleicht nicht und …«
    Er wartete. Seine Augen waren jetzt überschattet.
    »Ich wollte es dir einfach lieber jetzt sagen.«
    Sein Mund wurde schmaler. »Sie haben gedacht, ich heul gleich los.« Er stand tatsächlich kurz davor und war deswegen wütend auf sich selbst.
    »Nein«, versicherte sie ihm, »ich dachte vielmehr, ich würde weinen. Und das kann immer noch passieren.«
    Er blickte mit einem breiten Lächeln zu ihr auf, als hätte sie etwas Lustiges gesagt. Gleichzeitig quollen zwei große Tränen aus seinen Augen und kullerten über seine Wangen.
    Diesmal überlegte sie nicht lange, sondern umschlang ihn mit beiden Armen. Zunächst ließ er es einfach mit sich geschehen, doch plötzlich erwiderte er ihre Umarmung, ja, er klammerte sich an sie und verbarg das Gesicht in ihrem Haar, das sich aus den Spangen befreit hatte und lose herabhing.
    Am nächsten Morgen kehrte Monk zum Gericht zurück, während Hester und Scuff in die Klinik gingen.
    »Sie müssen heute doch gar nich’ im Haus sein«, brummte Squeaky bei ihrem Eintreten und sah von seinem mit Quittungen übersäten Tisch auf. »Und du auch nich’«, fügte er, an Scuff gewandt, hinzu.
    »O doch!«, erwiderte Hester in einem Ton, der weder Widerspruch noch Ausflüchte zuließ. »Und Scuff kann mir helfen. Ich will herausfinden, was genau mit Hattie Benson passiert ist, warum sie von hier weggegangen ist und wer sie dazu gebracht hat.«
    Squeaky zog eine trübsinnige Miene. »Wird doch nix nützen. Vielleicht hat sie Sie angelogen. Haben Sie schon mal daran gedacht?«
    »Ja, und ich glaube nicht daran. Gestern ist es vor Gericht herausgekommen, Squeaky. Sie ist ermordet worden, und zwar auf dieselbe Weise wie Mickey Parfitt – erdrosselt und bei Chiswick in den Fluss geworfen.«
    »Gott im Himmel, Frau!«, explodierte Squeaky. »Wie können Sie das vor dem Kleinen hier ausquatschen? Manchmal sind Sie eine kaltherzige Stute, und das is’ die Wahrheit!«
    Scuff beugte sich mit geballten Fäusten über den Tisch und funkelte Squeaky böse an. »Wag’s bloß nich’, noch mal so mit ihr zu reden, du Schweißwurm! Du verdienst es doch nich’ mal, ihr die Stiefel zu putzen!«
    Hester wollte ihn schon zurechtweisen, entschied sich dann aber dagegen. Sie konnte ihm nicht das Recht rauben, sie zu verteidigen. Allerdings musste sie sich auf die Lippen beißen, um ein Grinsen zu verbergen.
    Squeaky wich in seinem Stuhl zurück.
    »Du verdienst es nich’ mal …« Scuff hatte sich in Fahrt geredet, doch dann biss er sich auf die Zunge. Statt weiter zu schimpfen, starrte er Squeaky voller Abscheu an. »Halten Sie mich für ein Baby

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