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Einer trage des anderen Schuld

Einer trage des anderen Schuld

Titel: Einer trage des anderen Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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der Krim und haben die edle Retterin gespielt, obwohl Ihr Vater Sie brauchte. Er starb allein und verzweifelt, während Sie in der Ferne Ruhm einheimsten. Und als ob das noch nicht genügen würde: Wer war Ihrer Mutter in ihrem Kummer eine Stütze? Sie nicht. Sie sind ja nicht einmal zu seiner Beerdigung zurückgekehrt.«
    Hester verschlug es die Sprache. Schlimmer noch, sie bekam keine Luft mehr.
    »Sie wissen überhaupt nicht, was Loyalität ist!«, fügte Margaret hinzu, die ihren Vorteil witterte und nun zum entscheidenden Schlag ausholte. »Ich hatte immer Mitleid mit Ihnen, weil Sie keine eigenen Kinder haben, nur den kleinen Bengel, den Sie im Hafenviertel aufgelesen haben, um die Leere zu füllen. Aber im Grunde genommen verstehen Sie überhaupt nicht, was eine Familie ist. Sie sind zu egoistisch, zu sehr von Ihrem eigenen Bild von der Liebe eingenommen, um die Wirklichkeit zu begreifen.« Sie holte Luft, dann stürmte sie an Hester vorbei in den Korridor hinaus, während die Tür wieder zufiel.
    Stimmte das? Und wenn nur ein Teil davon zutraf! Hester wusste nicht, wie verzweifelt ihr Vater gewesen war. Sie hatte nichts davon mitbekommen, dass er betrogen, belogen und verraten worden war. Von seinem Selbstmord hatte sie erst im Nachhinein erfahren. Briefe waren wochenlang unterwegs gewesen, und oft hatte sie sich gerade auf dem Schlachtfeld bei Scutari befunden, wenn die Schiffe mit der Post eintrafen.
    Hätte sie es wissen können? Wissen müssen ? Ihr jüngerer Bruder war in einer Schlacht gefallen. Gab es irgendetwas, das sie hätte tun können? Hätte sie von vornherein zu Hause bleiben müssen?
    Nein! Sie war nicht nur ihrem Herzen gefolgt, sondern auch ihren Überzeugungen, als sie sich den Krankenschwestern in jenem Höllenloch angeschlossen hatte, das Scutari und die Schlachtfelder darstellten. Sie hatte Schmerzen gelindert und Leben gerettet. Sie hatte ihren Vater mehr geliebt, als Margaret wissen konnte.
    Und sie liebte Monk. Sie hätte gerne Kinder gewollt, um ihm eine Freude zu machen, um ihm alles zu geben, wozu Liebe in der Lage ist, aber sie sehnte sich nicht voller Verzweiflung nach eigenen Babys. Ja, sie liebte Scuff! Warum sollte sie das leugnen? Aber sie liebte ihn als den Menschen, der er war, nicht um irgendeine innere Leere zu füllen. Monk allein genügte ihr: als Gefährte, Verbündeter, Liebhaber und Freund.
    Hatte sie Fehler begangen, vielleicht sogar schwerwiegende? Ja, natürlich! Aber nie aus Gleichgültigkeit.
    Sie stand regungslos da, ihr war schwindlig, und vor ihren Augen verschwamm das Zimmer. Sie wartete, bis sie sich so weit gefasst hatte, dass sie in den Gerichtssaal zurückkehren und die Nachmittagssitzung verfolgen konnte.
    Rathbone kämpfte für Ballingers Verteidigung, was, wie Hester von Anfang an gewusst hatte, in jeder Hinsicht seine Pflicht war. Er hatte keine Wahl, ob beruflich oder emotional.
    Er rief einen Zeugen nach dem anderen auf, die alle ein anschauliches Bild von dem Gewerbe entwarfen, das Parfitt betrieben hatte, einschließlich seiner Stammkunden aus der Klasse der Reichen und Ausschweifenden, unter denen sich auch Rupert Cardew befand, auf den ausdrücklich und höchst dezidiert hingewiesen wurde.
    »Nur die Reichen?«, fragte Rathbone einen schmierig und verschlagen wirkenden Mann, der gerade, die Hände an die Seiten gepresst, im Zeugenstand aussagte.
    »Natürlich«, antwortete der Mann. »Hat ja keinen Sinn, die Armen zu erpressen!«
    Ein unterdrücktes Kichern war auf der Galerie zu hören, das sofort erstarb.
    »Und die Hochangesehenen?«, hakte Rathbone nach. »Diejenigen, die in der Gesellschaft einen Namen haben?«
    Der Zeuge bedachte ihn mit einem vernichtenden Blick. »Gibt doch keinen Anlass zu zahlen, wenn man keinen Rang zu verlieren hat. Wenn du ein Niemand bist, dann sagste ihm einfach, er kann dich gernhaben und die Bilder an jeden verkaufen, der sie haben will.«
    »Sehr richtig«, bestätigte Rathbone mit Nachdruck. »Vielen Dank, Mr Loftus.« Er wandte sich an Winchester. »Ihr Zeuge, Sir.«
    Winchester erhob sich. Seine Bewegungen waren nicht minder elegant als am Vormittag, doch Hester fiel auf, dass sein Gesicht blass war und er unwillkürlich die Hände geballt hatte.
    »Mr Loftus, Sie scheinen ja bestens über dieses ganze Gewerbe Bescheid zu wissen. Umfangreicher als zum Beispiel ich, obwohl ich mir ja aufgrund dieses Prozesses möglichst viele Kenntnisse aneignen musste. Woher kommt das, Sir?«
    »Ach, ich weiß so alles

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